© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

Kritik an Umgestaltung wächst
Marine-Ehrenmal: Historiker sammelt Unterschriften gegen Opern-Aufführung
Hans-Joachim von Leesen

Es rumort im Deutschen Marinebund, seitdem bekannt wurde, nicht zuletzt durch die Veröffentlichungen in der JUNGEN FREIHEIT (JF 13/07), daß das vom Deutschen Marinebund errichtete und ihm gehörende Marine-Ehrenmal Laboe einer Konzertagentur zur Aufführung der Verdi-Oper "Nabucco" zur Verfügung gestellt worden ist. Am 12. August sollen auf dem Gelände des Ehrenmals Hunderte von Solisten, Chorsängern, Statisten, Orchestermitgliedern die Oper vor möglichst zahlreichem Publikum darbieten, und der Deutsche Marinebund erhofft sich einen Anteil der Erlöse aus dem Kartenverkauf.

Das Ehrenmal ist seit 1994, als man begann, es zu verändern, im Gerede. Seitdem man 1925 begonnen hatte, das imposante Bauwerk an der Kieler Förde zu planen, zu bauen und zu unterhalten, hatte es nie einen Zweifel über den Sinn gegeben: Es sollte die gefallenen Soldaten der Kaiserlichen und später auch der Kriegsmarine ehren und den Angehörigen Gelegenheit geben, ihrer Toten zu gedenken. Selbst die britische Militärregierung erklärte 1946, das Marine-Ehrenmal verherrliche nicht den Krieg und den Geist des Angriffs, sondern solle nur ein "Tribut an die im Dienste des Landes gefallenen Angehörigen der Marine" sein, und sah von der Zerstörung ab.

1994 begannen die ersten Bemühungen, um das Marine Ehrenmal zeitgeistgemäß umzugestalten. Im Zentrum sollte nicht mehr allein die Erinnerung an die deutschen Gefallenen stehen. 1996 konnte dann die umgestaltete "Gedenkstätte deutsche Marine" der Öffentlichkeit übergeben werden. Nunmehr ist ihr Hauptsinn, aller auf See Gebliebenen aller Nationen zu gedenken.

Federführend für die Geschichtsmanipulation war ein "Beratender Historiker" beim Deutschen Marinebund, der Fregattenkapitän a.D. Dieter Hartwig (SPD), der ankündigte, die Umdeutung solle weitergehen. Dazu hatte er keine Gelegenheit mehr, da er überraschend aus dem Verein ausschied, wie man heute weiß, weil es zwischen dem Fregattenkapitän a.D. und dem neuen Präsidenten, dem Oberstabsbootsmann a.D. Karl Heid, zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war.

Als jetzt bekannt wurde, daß auf dem Gelände des Marine- Ehrenmals ein großes Spektakel veranstaltet werden sollte, mehrte sich die Zahl der darüber Empörten, die darin eine Entweihung der Gedenkstätte sahen. Selbst Hartwig, der an herausragender Stelle tätig war, um den ersten Schritt zur Verfälschung des Ehrenmals zu tun, sah sich plötzlich in der Rolle des Zauberlehrlings, der die Woge der Banalisierung und des Mißbrauchs des Ehrenmals nicht mehr aufhalten kann.

Die Geister, die er rief, wird er nicht wieder los. Ausgerechnet er setzte nun eine Unterschriftensammlung in Gang, um die "willkürliche und entwürdigende kommerzielle Zwecknutzung" des Ehrenmals zu stoppen. Dabei stellte er zunächst seine eigenen Verdienste in den Vordergrund, sei es ihm doch angeblich gelungen, durch seine Umgestaltung dem Ehrenmal "durch eine zeitgemäße Ausgestaltung die ihm zustehende Achtung seitens der Öffentlichkeit und (vor allem) der Marine zurückzugeben" eine Verfälschung der Tatsachen, denn das Marine-Ehrenmal genoß in der Öffentlichkeit immer eine hohe Wertschätzung. Jetzt sieht er die Gefahr, daß "das Ehrenmal seines Gedenkstättencharakters" beraubt wird, indem es zu einer "Vergnügungsstätte" gemacht wird. "Und das bereitet mir schlaflose Nächte." Jetzt sammelt er Unterschriften, die er dem Marinebund-Präsidium vorlegen will mit der Forderung, die Aufführung der Oper abzusagen.

Innerhalb der Deutschen Marine gibt es jetzt Stimmen, die angesichts des Mißbrauchs des Ehrenmals als Vergnügungsstätte und der dadurch ausgelösten Protestwelle ein Auseinanderbrechen des Marinebundes befürchten.


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