© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

Tribut für einen Völkermord
Finanzwelt: Armenischstämmige US-Anwälte verfolgen eine neue Sammelklage gegen deutsche Großbanken
Ivan Denes

Drei namhafte kalifornische Anwälte haben vorigen Donnerstag in Berlin eine Pressekonferenz abgehalten. Anlaß war die Hoffnung, mit den Anwälten der Deutschen und der Dresdner Bank verhandeln zu können. Doch die Rechtsvertreter der zwei Großbanken lehnten ein Treffen mit Brian S. Kabateck, Mark J. Geragos and Vartkes Yeghiayan ab. Der Grund der etwas unhöflichen Haltung: Die drei armenischstämmigen Anwälte haben in Kalifornien eine Sammelklage gegen die beiden Finanzinstitute angestrengt.

Über neun Jahrzehnte nach dem Völkermord an den im Osmanischen Reich lebenden Armeniern (JF 17/05) fordern sie im Namen der Nachkommen und Erben der damaligen Opfer jene "Besitztümer zurückzugeben, die den Armeniern rechtmäßig zustehen". Gemeint sind damit die vor 1915 von armenischen Familien bei der Deutschen und der Dresdner Bank deponierten Gelder und Besitztümer sowie "von der türkischen Regierung erbeutete Werte", die beide Banken zurückgehalten hätten - plus den angefallenen Zinsen und dem Kursverfall.

"Den Völkermord an den Armeniern anerkannt"

Die Klage (Varoujan Deirmenjian et. al. v. Deutsche Bank, A.G., Dresdner Bank, A.G. et al., 13. Januar 2006, Los Angeles Superior Court) konnte in Kalifornien eingereicht werden, weil Gouverneur Arnold Schwarzenegger ein Sondergesetz erlassen hat, das die Rechte der in Kalifornien lebenden Armenier gegenüber den Banken gleichstellt mit den Rechten, die kalifornischen (und später allen amerikanischen) Bürgern gegenüber europäischen Versicherungen anläßlich der Auseinandersetzungen um die nichteingelösten Lebensversicherungspolicen von Holocaust-Opfern gewährt wurden.

Obwohl die Anwälte es leidenschaftlich abstritten, ist nicht zu übersehen, daß der von ihnen eingeleitete juristische Kampf dem vom Jüdischen Weltkongreß (WJC) in Sachen "schlafende Konten" von Holocaust-Opfern bei den Schweizer Banken geöffneten Weg folgt: 1998 bezahlten zwei Schweizer Großbanken schließlich 1,25 Milliarden Dollar (JF 13/07). Bemerkenswert ist, daß die Armenier-Anwälte nicht vom "armenischen Holocaust" sprachen. Sie unterstrichen, daß sie keinen politischen, sondern einen rein zivilrechtlichen Kampf führen - den sie am liebsten durch einen Vergleich beenden wollen. "Die deutsche Regierung hat den Völkermord an den Armeniern sehr bereitwillig anerkannt. Die Türkei behauptet, der Völkermord habe gar nicht stattgefunden. Es ist eine Schande, daß die Deutsche Bank und die Dresdner Bank sich auf die Seite der Türkei schlagen und sich nicht dazu verpflichtet fühlen, die Besitztümer zurückzugeben, die den Armeniern rechtmäßig zustehen", erklärte Brian Kabateck von der Kanzlei Kabateck Brown Kellner. "In diesem Handeln findet die Verachtung und Erniedrigung einer Gruppe von Menschen ihre Fortsetzung, die entsetzliches Leid zu ertragen hatte."

Worum geht es eigentlich? Das Deutsche Reich war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs mit dem Osmanischen Reich verbündet. Deutsche Banken finanzierten die berühmte Bagdad-Bahn mit. Vor 1915, als die Jungtürken mit der Deportation der Armenier anfingen, schalteten sie in der armenischsprachigen Presse Großanzeigen. Das wohlhabende armenische Bürgertum sollte sein Geld bei den soliden deutschen Banken anlegen. Und da der Weltkrieg die Unsicherheit erhöhte, eröffneten Tausende Armenier nicht nur Konten, sondern legten ihr Vermögen auch in Wertpapieren an und deponierten Gold und Juwelen in Schließfächern der beiden Finanzinstitute. Darüber hinaus nahmen die beiden Banken aus der Hand der osmanischen Behörden jene Goldmünzen und Juwelen entgegen, die den vertriebenen Armeniern im Verlauf der grauenhaften Zwangsmärsche in Richtung syrische Wüste abgenommen wurden. Das Gold nahm den Weg nach Deutschland, die Banken zahlten der türkischen Regierung Bargeld aus. Die Banken profitierten auch indirekt von der Zwangsarbeit an der Bagdad-Bahn, zu der ein Teil der deportierten Armenier bis zu ihrem Tod gezwungen wurde.

Die New York Life Insurance zahlte 20 Millionen Dollar

Eine genaue Wertangabe können die drei Anwälte genausowenig geben wie Auskunft über die Zahl der in Kalifornien lebenden Erben, die zur Klage berechtigt wären. Die Schätzungen belaufen sich auf 20 Millionen damaliger Golddollar. Der Multiplikationsfaktor, der die Geldentwertung berücksichtigt, liegt laut Aussage der US-Anwälte bei 17 bis 18 - plus Zinsen. Im Rahmen ihrer Pressekonferenz berichteten die Anwälte, daß sie auch im Auswärtigen Amt vorstellig geworden sind. Über den Inhalt ihrer Gespräche sei aber Vertraulichkeit vereinbart worden. Der US-Versicherungskonzern New York Life Insurance hat übrigens bereits zugestimmt, 20 Millionen Dollar an die Nachkommen und Erben von armenischen Völkermordopfern zu bezahlen (Martin Marootian et al v. New York Life Insurance Company).

Mit dem französischen Versicherungskonzern Axa, gegen den ebenfalls Klage eingereicht wurde (Kyurkjian et al. v. AXA, Fall Nr.: CV 02-01750 und Ouzounian et al v. AXA, Fall Nr.: CV 05-02596, U.S. District Court, Central District of California) stehe eine außergerichtliche Einigung kurz bevor. Axa wolle 17 Millionen Dollar auszuschütten, von denen elf Millionen Dollar an die Erben von Axa-Lebensversicherungen und drei Millionen Dollar an armenische Wohltätigkeitseinrichtungen in Frankreich gehen sollen.

Diese beiden Tatsachen stärkten ihre Hoffnung auf einen Sieg vor Gericht. Zumal es in den USA keine Verjährung für die angeklagten Sachverhalte gebe, so die US-Anwälte.

Ausführliche Informationen im Internet unter: www.armenianinsurancesettlement.com


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