© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Fehleinschätzung
von Wolfgang Seiffert

Es ist nicht bekannt, wer der deutschen Ratspräsidentschaft eingeredet hat, Wladimir Putin wolle den EU-Rußland-Gipfel zu einem Eklat gestalten. Vielleicht waren Angela Merkel und ihr Außenminister auch nur Opfer der Fehleinschätzung, der russische Präsident habe auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 einen neuen "Kalten Krieg" eingeleitet. Es war nur ein Schuß vor den Bug: Was Rußland nach 1991 an Demütigungen und Machtverlusten hinnehmen mußte, sei vorbei. Ein Zurück hinter den Status einer gleichberechtigten Großmacht werde es nicht geben. Ob bei Polens Fleischexporten, der Kosovo-Frage, den US-Raketenplänen oder den Energielieferungen - es wird keine Regelung mehr geben, bei der russische Interessen nicht in gleichem Maße berücksichtigt werden wie die westlichen.

Das alles mußte wissen, wer zum Gipfel nach Samara flog. Erst wollte Rußland das Partnerschaftsabkommen mit der EU, nun stemmten sich Polen, Estland und Litauen dagegen. Moskau ficht das nicht an, weil es auch mit dem bisherigen Vertrag ganz gut weiterleben kann: Denn das Abkommen verlängert sich nach Artikel 106 von Jahr zu Jahr, wenn nicht eine der Parteien kündigt. Doch das wird weder Brüssel noch Moskau tun. Im Zweifel sitzt auch hier Rußland am längeren Hebel - nicht zuletzt dank seines wachsenden weltökonomischen Gewichts.

 

Prof. Dr. Wolfgang Seiffert leitete das Kieler Institut für osteuropäisches Recht. Bis 2002 lehrte er an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.


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