© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

"Bedrohung der Stabilität und Sicherheit"
Verfassungsschutzbericht: Schäuble warnt vor politischen Extremisten / Institut für Staatspolitik stellt Alternativentwurf vor
Felix Krautkrämer

Vergangenen Dienstag stellten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm in Berlin den Verfassungsschutzbericht 2006 vor. Wirklich aufsehenerregende Erkenntnisse waren aber auch in diesem Jahr nicht zu verkünden: Nach wie vor gehe "die gravierendste Bedrohung der Stabilität und Sicherheit in Deutschland" vom islamischen Terrorismus aus, sagte Schäuble.

Alarmierend sei aber auch, daß der Rechtsextremismus zunehmend in die Mitte der Gesellschaft vordringe. Das belege der Anstieg um 14,5 Prozent im Phänomenbereich politisch rechts motivierter Straftaten mit extremistischem Hintergrund auf 17.597 Delikte.

Genauer betrachtet handelt es sich allerdings bei 86,5 Prozent der Straftaten entweder um Propagandadelikte (12.627) oder um Fälle von Volksverhetzung (2.592). Entsprechende Straftatbestände sind im Bereich des Linksextremismus nicht vorgesehen, beziehungsweise werden dort, wie im Falle der Volksverhetzung, nur selten geahndet (siehe Grafik).

Bei den rechtsextremen Gewalttaten (1.047) ist ein Plus von 9,3 Prozent zu verzeichnen. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der politisch rechts motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund beträgt sechs Prozent.

"Staatliches Instrument des politischen Kampfes"

Dagegen beträgt der Anteil linksextremer Gewalttaten (862) an der Gesamtzahl der politisch links motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund (2.369) 36 Prozent. Auch ist die absolute Anzahl der Gewalttaten (1.209) im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" um vier Prozent höher als die im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" (1.115).

In bezug auf ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD äußerte sich der Bundesinnenminister ablehnend, da hierfür die in die Partei eingeschleusten V-Leute abgezogen werden müßten. Dies sei aus "sicherheitspolitischen Erwägungen" aber nicht möglich, sagte Schäuble.

Ebenfalls am vergangenen Dienstag, nur wenige hundert Meter entfernt von dem Ort, an dem der amtliche Verfassungsschutzbericht vorgestellt wurde, hatte das Institut für Staatspolitik (IfS) zu einer Pressekonferenz geladen. Präsentiert wurde die neueste hauseigene Untersuchung: "Was der Verfassungsschutz verschweigt. Bausteine für einen Alternativen Verfassungsschutz-Bericht". Die Publikation beschäftigt sich mit der Problematik des Verfassungsschutzes als "parteipolitisches Machtinstrument". Anwesend war neben dem Autor des Buches Josef Schüßlburner auch der ehemalige Sekretär des Uno-Menschenrechtsausschusses Alfred de Zayas.

Besonderes Interesse an dieser Vorstellung zeigte die Tageszeitung Junge Welt, die durch ihren Mitarbeiter Nikolaus Brauns vertreten war. Laut Bundesverfassungsschutzbericht sind "einzelne Redaktionsmitglieder und ein Großteil der Stamm- und Gastautoren" der Zeitung dem "linksextremistischen Spektrum zuzuordnen". Da trifft es sich, daß Brauns seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linkspartei) ist. Auch bei der PDS gibt es Anzeichen linksextremistischer Bestrebungen, da Teile der Partei ein "ambivalentes Verhältnis zur Gewalt" offenbaren. Außerdem sind weiterhin "offen extremistische Gruppierungen" in "wichtigen Gremien der Partei vertreten", so der Verfassungsschutzbericht 2006.

Auf den eigentlichen Anlaß der Pressekonferenz angesprochen, äußerte sich Schüßlburner kritisch gegenüber der momentanen Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dieses verletze das grundlegende Gleichheitsprinzip und das Neutralitätsgebot des Staates, da es sich vorrangig mit dem rechten Meinungs- und Parteienspektrum beschäftige. Der Verfassungsschutz würde dazu mißbraucht, konkurrierende Parteien zu schwächen, da er ihre Mitglieder als Extremisten abstemple. Die Warnungen vor einigen als rechtsextremistisch gebrandmarkten Parteien verhinderten, daß diese auf qualifiziertes und namhaftes Personal zurückgreifen könnten. Beim Extremismusbegriff handele es sich laut Schüßlburner jedoch um "keine rechtlich definierte Kategorie, sondern um eine rechtsstaatswidrige Ideologievokabel". Die Maßlosigkeit, mit der der Rechtsextremismusvorwurf ideologie-politisch gebraucht würde, führe dazu, daß es in Deutschland keinen wirklichen Pluralismus gebe.

In Bezug auf die aktuelle Weikersheim-Debatte äußerte Schüßlburner Unverständnis für das Unvermögen der CDU. Die Partei müsse sich der gleichen Mittel bedienen wie ihre politischen Gegner. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die CDU beispielsweise nicht die Zusammenarbeit zwischen dem baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Stephan Braun (SPD) und tendenziell linksextremistischen Kreisen thematisiere (JF 20/07). Gerade die Weikersheim-"Affäre" habe gezeigt, daß der Verfassungsschutzbericht Leuten wie Braun in die Hände spiele. Sie müßten keine eigenen Erkenntnisleistungen mehr vollbringen, sondern bräuchten lediglich auf den Verfassungsschutz zu verweisen. Erst der Vorwurf der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht liefere den eigentlich harmlosen politisch-medialen Kampagnen die Munition, die sie so erfolgreich mache. Ob die Erwähnung letztlich gerechtfertigt sei oder nicht, spiele dabei keine Rolle. Dies habe der Fall der JUNGEN FREIHEIT gezeigt. Die amtlichen Verfassungsschutzberichte hätten dabei im "Kern ein staatliches Instrument der politischen Bekämpfung oppositionellen Gedankengutes" dargestellt, so Schüßlburner

Überraschend sei die Hilflosigkeit der CDU bei solchen gegen sie gerichteten Kampagnen für Schüßlburner allerdings nicht. Schließlich sei die Partei auch nicht bereit, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzustehen - zumindest nicht für rechts von ihr stehende Organisationen.

Josef Schüßlburner/Hans-Helmuth Knütter: Was der Verfassungsschutz verschweigt. Bausteine für einen Alternativen Verfassungsschutzbericht, Schnellroda 2007, 579 Seiten, broschiert, 15 Euro

Foto: Verfassungsschutzchef Fromme (li.), Innenminister Schäuble: Islamischer Terrorismus als Gefahr


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