© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Das korrupteste Land in Südostasien
Philippinen: Morde und Fälschungen bei den jüngsten Wahlen / Partner im "Kampf gegen den Terrorismus"
Erhard Haubold

Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo kann beruhigt sein. Weitere Amtsenthebungsverfahren im Parlament, die in Gang zu setzen die Opposition bereits zweimal versuchte, werden erfolglos sein. Das ist ein ziemlich sicheres Ergebnis der Wahlen zum Congress und zum Senat vom 14. Mai, auch wenn die Stimmen von 45 Millionen Wahlberechtigten noch immer nicht endgültig ausgezählt sind. Gezählt wird im Reich der siebentausend Inseln nämlich immer noch per Hand; in über 300.000 Wahlbezirken sind ebensoviele Lehrer und andere Freiwillige im Einsatz.

Das System fördert Fälschungen, wie sie schon in den Zeiten des 1986 verjagten Diktators Ferdinand Marcos gang und gäbe waren und von Teilen des politischen Establishments durchaus gewollt sind: Nur so können die reichen Familien ihre politische Macht bewahren. Auch diesmal wurden Wahlurnen gestohlen oder schon vor dem Stimmengang prall gefüllt; wurden Wähler bedroht oder für die mehrmalige Abgabe ihrer Stimme mit ein paar Dollar belohnt. Während der langen Zeit der Auszählung versuchen viele Kandidaten, das Ergebnis zu ihren Gunsten zu manipulieren - mit Geld, aber auch mit Gewehren. Und die offizielle Wahlkommission gilt als parteiisch, der amtierenden Regierung wohlgesonnen.

Präsidentin Arroyo kann weiterregieren

Mit bis zum Wochenende 249 Opfern waren diesmal immerhin ein paar weniger Tote und Verletzte zu beklagen als beim letzten Urnengang 2004. Von einer fairen Wahl will die Gruppe der ausländischen Wahlbeobachter, darunter auch eine deutsche Delegation, auf keinen Fall sprechen. Sie notiert ein Klima des Schummelns, der Gewalt und des Betrugs bei der großen politischen Übung, bei der alle 275 Sitze im Congress (Parlament) sowie 12 von 24 Senatorenposten zu besetzen waren. Überdies ging es - die überlangen Wahlscheine zeigten es - um die Zukunft von 17.500 Gouverneuren und Bürgermeistern.

Staatschefin Arroyo (ihr Vater war Diosdado Macapagal, linksliberaler Präsident der Philippinen von 1961 bis 1965) stand nicht zur Wahl, ihre Amtszeit geht bis 2010. Die 60jährige kann damit rechnen, daß ihr nahestehende Abgeordnete (Parteizugehörigkeit spielt keine entscheidende Rolle) im Parlament abermals eine möglicherweise sogar vergrößerte Mehrheit bilden. Im Senat dürfte ihr aber erneut eine feindliche Mehrheit gegenüberstehen.

Als ihre erste Aufgabe nennt sie die Bekämpfung der Armut: 65 Millionen Filipinos - rund 70 Prozent der Bevölkerung - müssen mit zwei Dollar oder weniger am Tag auskommen, eine Million Filipinos sucht in jedem Jahr Arbeit in den USA. Mindestens ebenso wichtig ist die Bekämpfung des islamischen Extremismus. Im Süden der mehrheitlich katholischen Inselrepublik stehen Friedensverhandlungen mit muslimischen Separatisten, die für das Raubrittertum christlicher Zuwanderer entschädigt werden wollen, vor dem Abschluß.

Ihr enger Schulterschluß im "Kampf gegen den Terrorismus" sichert Gloria Macapagal-Arroyo Sympathien in Washington, amerikanische Militärberater und zusätzliche finanzielle Mittel zur Bekämpfung muslimischer Rebellen im Süden des sich über fast 2.000 Kilometer erstreckenden Inselreichs.

Bei ihren Landsleuten aber hat die Präsidentin, eine promovierte Volkswirtin, viel von jener Zustimmung verloren, die ihr beim Amtsantritt 2001 nach einem Volksaufstand ("People's Power") gegen den Vorgänger Joseph Estrada entgegengebracht worden war. Vorwürfe des Wahlbetrugs 2004, als sie sich eine sechsjährige Amtszeit sicherte, sind bis heute nicht verstummt. Ein Tonband-Mitschnitt enthüllte ein Gespräch, das sie damals mit dem obersten Wahlkommissar führte und in dem sie ihren Stimmenanteil "diskutierte" - während die Auszählung noch im vollen Gange war.

Auftragsmorde und Entführungen sind Alltag

Parallelen mit der Diktatur von Ferdinand Edralin Marcos (Präsident von 1965 bis 1986), der 1972 für neun Jahre das Kriegsrecht verhängte, sind sicherlich überzogen. Nicht zu übersehen ist aber, daß vieles vom Elan, vom Charme und Idealismus der ersten Amtsjahre Arroyos zerstoben ist. Wie in den schlimmen alten Zeiten gelten die Philippinen als das korrupteste Land in Südostasien.

Die großen Familien-Dynastien, vor allem die "Hazienderos" haben einen überproportionalen politischen Einfluß. Sie haben auch diesmal Söhne, Ehefrauen und Töchter ins Wahlrennen geschickt, immer umgeben von schwerbewaffneten Privatarmeen. Wie in den schlimmen Marcos-Zeiten ist der "Desaparecido", der aus politischen Gründen Verschwundene, ein feststehender Begriff. Hunderte von Auftragsmorden und Entführungen werden nicht aufgeklärt - auch weil die Präsidentin mit Streitkräften zurechtkommen muß, die immer wieder einmal mit einem Putschversuch an ihre Macht erinnern. Oft sind Gewerkschaftler, katholische Priester und Angehörige der außerparlamentarischen Opposition die Opfer.

Unter dem Vorwand, einen weiteren Staatsstreich der Uniformierten abzuwehren, hat Präsidentin Arroyo Anfang dieses Jahres für kurze Zeit den Notstand ausgerufen. Die New York Times wirft ihr deshalb in einem Leitartikel vor, die großen Ziele der "People's Power"-Bewegung von 1986 gegen Marcos völlig verraten zu haben. Im ganzen Land seien Repression und Einschüchterung üblich geworden. Besonders bedroht fühlt sich nun auch die bisher weitgehend freie Presse - durch angekündigte "Richtlinien" und eine "Beobachtungsliste" für Journalisten. Das angesehene, von Journalistinnen gegründete Zentrum für investigativen Journalismus wird schon mit einer Klage wegen Hochverrats bedroht.


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