© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Unnötige Spannungen
Andreas Mölzer

Beim jüngsten EU-Rußland-Gipfel konnte erneut keine Einigung für ein Partnerschaftsabkommen erzielt werden. Vielmehr waren die Gespräche in der Wolgastadt Samara von der drohenden Verschlechterung der wechselseitigen Beziehungen überschattet. Zum Streit über ein russisches Einfuhrverbot für polnisches Fleisch und den geplanten US-Raketenschild kam zuletzt noch der Konflikt um die Verlegung eines Sowjetdenkmals in Reval (Tallinn, JF 20/07) hinzu.

Fast hat es den Anschein, als befinde sich die EU in der Geiselhaft mancher ihrer ostmitteleuropäischen Mitglieder, die angeführt von Polen alles daransetzen, eine Annäherung zwischen Brüssel und Moskau zu verhindern. Natürlich sind die historisch bedingten Vorbehalte jener EU-Staaten, die noch vor zwei Jahrzehnten jenseits des Eisernen Vorhangs lagen, verständlich. Angesichts des Wandels, den die Welt und insbesondere Europa seit dem Ende des Kalten Krieges erfahren haben, dürfen diese Vorbehalte aber nicht zum Vorwand genommen werden, um die Beziehungen zu Moskau zu vergiften. Denn Rußland ist für die EU nicht nur in wirtschafts- und energiepolitischen Fragen von herausragender Bedeutung, sondern auch ihr natürlicher Verbündeter.

Alleine wird die EU, auch wenn das Brüsseler Polit-Establishment Gegenteiliges behauptet, auf der Bühne der Weltpolitik nur eine Statistenrolle spielen können. Die Bedrohungen für die europäischen Völker und für ihre Sozialsysteme - die von der Globalisierung nach US-Vorstellungen ausgehen - wird die EU, wenn sie auf sich allein gestellt ist, nicht aufhalten können. Ebensowenig wird sie imstande sein, den Hegemonialbestrebungen Washingtons etwas entgegenzusetzen. Um so unverständlicher ist es daher, wenn die Brüsseler Zentrale tatenlos zusieht, wie manche ostmitteleuropäische EU-Staaten nur allzu bereitwillig den Erfüllungsgehilfen Washingtons in Europa spielen. Insbesondere würde das Raketensystem, das die USA in Polen und Tschechien errichten wollen, nicht nur vollends einen Keil zwischen die EU und Rußland treiben, sondern auch das "alte" (den US-Allmachtsansprüchen distanziert gegenüberstehende) Europa isolieren. Länder wie Polen müssen sich in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage stellen, ob es wirklich in ihrem Interesse liegt, nun den US-Vasallen zu spielen, wo sie doch über Jahrzehnte brav die Rolle eines sowjetischen Satelliten zu erfüllen hatten.

Wenn die EU mit Rußland eine strategische Partnerschaft eingehen will, die diesen Namen auch verdient, dann müssen aber auch die Lehren aus der Osterweiterung 2004 gezogen werden. Schließlich sorgte die Aufnahme der drei baltischen Staaten in patriotischen Kreisen Rußlands für gewaltiges Magendrücken. Der Grund dafür lag in der Verletzung der russischen Interessenssphäre, die auf die Zeit Peters des Großen zurückgeht. Daher ist ein möglicher EU-Beitritt Weißrußlands und der Ukraine ohne die ausdrückliche Zustimmung Moskaus abzulehnen. Freilich ist der westliche Landesteil der heutigen Ukraine immer noch mitteleuropäisch geprägt, denn Galizien war über Jahrhunderte Teil Polens bzw. der k.u.k-Monarchie. Die russisch-orthodox geprägte Ost-Ukraine sieht aber weiterhin in Moskau ihr wirtschaftliches, politisches und kulturelles Gravitationszentrum.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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