© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

"Ich wollte immer ein Weltstar werden"
Mit Sissis Liebreiz gebrandmarkt: Vor 25 Jahren starb die stets von Selbstzweifeln geplagte Schauspielerin Romy Schneider
Werner Olles

Sie war gerade einmal 15 Jahre alt, als sie ihr Leinwanddebüt gab. In Hans Deppes "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" (1953) spielte Romy Schneider neben ihrer Mutter Magda Schneider, Willy Fritsch, Paul Klinger und dem gleichaltrigen Götz George, für den dies ebenfalls seine erste Rolle war. Der Film war romantisch-gefühlvolle Unterhaltung, Edelkitsch für schlichte Gemüter gewissermaßen, und doch ging damals ein neuer Stern am Himmel des westdeutschen Nachkriegskinos auf. Fast dreißig Jahre später drehte Romy ihren letzten Film: "Die Spaziergängerin von Sans-Souci" (1982), eine melodramatische Liebesgeschichte mit arg konstruiert wirkenden politischen Bezügen zur NS-Zeit. Allein ihre herausragende schauspielerische Leistung - sie hatte eine nuancenreiche Doppelrolle zu bewältigen - machte den Film sehenswert.

Dazwischen lag eine Karriere voller Höhen und Tiefen, voller Leid und Schmerz, Katastrophen und Depressionen, unterbrochen von nur wenigen glücklichen Jahren. Noch 1968, als sie bereits 30 Filme hinter sich hatte, gedreht in Paris und Hollywood, Wien und München, bekannte Romy Schneider: "Ich wollte immer ein Weltstar werden, aber ich bin es nicht geworden!" Sie hatte nie eine Schauspielschule besucht, und das Lampenfieber, die permanente Unsicherheit und die ständigen Selbstzweifel begleiteten sie ihr ganzes Leben. Später verglich man sie mit den ganz Großen ihres Fachs, und Paris Match schrieb: "Sie ist das schönste Geschenk, das Deutschland oder Österreich - so genau kommt es darauf ja nicht an - uns seit der Dietrich gemacht haben!"

Am 23. September 1938 als Tochter des deutsch-österreichischen Schauspielerehepaares Magda Schneider und Wolf Albach-Retty in Wien geboren, wuchs Rosemarie-Magdalena Albach-Retty bei ihren Großeltern in Berchtesgaden auf, da das Theater, die Arbeit ihrer Eltern, einer alten, hochangesehenen Schauspielerdynastie, stets im Mittelpunkt des Familienlebens stand. Als die Ehe der Eltern geschieden wurde, wechselte sie auf ein Salzburger Internat, das sie mit der mittleren Reife abschloß. Bereits im gleichen Jahr drehte sie ihren ersten Film: "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" und war begeistert, erstmals im Rampenlicht zu stehen.

Zwei Jahre später kam der erste Teil der "Sissi"-Trilogie in die Kinos, und das Wunder geschah. Ein anspruchsloser Heimatfilm machte sie über Nacht zum Star. Mit "Sissi - Die junge Kaiserin" (1956) und "Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin" (1957) ging der Erfolg weiter. Doch während das Publikum noch mit der an Schwindsucht erkrankten Elisabeth von Österreich litt, konnte Romy Schneider bereits Worte wie "Liebreiz" nicht mehr hören und sehnte sich danach, ihrem Image zu entfliehen, um endlich Rollen spielen zu können, die dem Lebensgefühl ihrer Generation entsprachen.

Helmut Käutners melancholische Liebeskomödie "Monpti" (1957) nach dem Roman von Gabor von Vaszary war der eigentliche Wendepunkt in ihrem Schauspielerleben. Sie spielte die Anne-Claire, eine verwaiste siebzehnjährige Näherin, mit der Horst Buchholz in der Rolle eines in Paris hungernden jungen ungarischen Emigranten sein erotisches Katz-und-Maus-Spiel treibt. Dem mitunter ziemlich anzüglichen Geschlechterkampf um männliches Begehren und weibliche Hinhaltetechnik setzt der plötzliche Unfalltod des Mädchens dann ein jähes Ende.

Die Flucht nach Paris verzieh das deutsche Publikum nicht

Bei den Dreharbeiten zu "Christine" (1958), Pierre Gaspard-Huits Verfilmung von Schnitzlers "Liebelei", lernte sie Alain Delon kennen, verliebte sich in ihn und zog nach Paris. Es war eine Flucht vor den immergleichen Rollenangeboten in zuckersüßen Geschichten und vor ihrer Familie, vor allem ihrer dominanten Mutter, aber auch ihrem ungeliebten Stiefvater "Daddy" Blatzheim. Unter der Regie von Luchino Visconti spielte sie in "Schade, daß du eine Dirne bist" und in Pitoeffs Inszenierung von Tschechows "Die Möwe". Dem "Sissi"-Stempel war sie nun für immer entronnen.

Die Trennung von Delon stürzte sie in tiefe Depressionen. Wieder einmal war ihre Suche nach Heimat, Halt, Glück und Liebe schiefgegangen. Ein Suizidversuch mit einer Überdosis Schlaftabletten kostete sie fast das Leben. Als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, heiratete sie 1966 den Theaterregisseur und Schauspieler Harry Meyen. Mit Delon drehte sie 1968 "La Piscine" (Der Swimming-Pool), eine völlig belanglose Kolportage-Story, die jedoch ganz auf die beiden Stars zugeschnitten war und ein großer kommerzieller Erfolg wurde.

Erst mit Claude Sautets "Max et les Ferrailleurs" (Das Mädchen und der Kommissar, 1970) gelang es ihr wieder, an ihre früheren Erfolge anzuknüpfen. An der Seite von Michel Piccoli spielte sie die Prostituierte Lilly, mit deren Hilfe ein ehrgeiziger Polizeibeamter eine Gruppe kleiner Gauner zu einem Banküberfall verleiten will, bei dem sie geschnappt werden. Noch im gleichen Jahr drehte Sautet mit ihr und Piccoli "Les Choses de la Vie" (Die Dinge des Lebens"), die Geschichte eines erfolgreichen Artisten, der in einem ungeklärten Dreiecksverhältnis lebt und nach einem schweren Unfall in der Stunde seines Todes über sein Leben meditiert.

1975 trennte sich Romy Schneider von Harry Meyen, der vier Jahre später Selbstmord beging. Einen Tag nach der Scheidung heiratete sie ihren elf Jahre jüngeren Sekretär Daniel Biasini. Hatte das deutsche Publikum ihr schon die "Flucht" nach Frankreich nicht verziehen, so gab man ihr nun auch die Schuld an Meyens Selbstmord. Sie spürte die Ablehnung, die ihr in Deutschland entgegenschlug, und provozierte sie bewußt mit einer neuerlichen Flucht ins "süße Leben". Alkoholische Exzesse, ausschweifende Partys und das Auskosten der Grenzen jeglicher Art wurden in der Boulevardpresse nun fast täglich kolportiert. Unvergessen bleibt ihr Auftritt in einer TV-Talkshow, als sie den ehemaligen Bankräuber und Autor Burk­hard Driest anhimmelte: "Sie gefallen mir! Sie gefallen mir sehr!" Wenig charmant plauderte dieser später öffentlich über die anschließende gemeinsame Nacht mit der Schauspielerin.

Claude Millers "Garde A Vue" (Das Verhör, 1981) war Romy Schneiders vorletzter Film. Noch im gleichen Jahr wurde die Ehe mit Daniel Biasini geschieden. Schließlich traf sie der schwerste Schicksalsschlag, als ihr vierzehnjähriger Sohn David Christopher bei dem Versuch, über einen schmiedeeisernen Zaun zu klettern, von den Spitzen des Zauns tödlich verletzt wird. Den Tod ihres geliebten Sohnes konnte sie nicht mehr verkraften. Kurz nach der Premiere ihres letzten Film "Die Spaziergängerin von Sans-Souci" fand Romy Schneiders neuer Lebensgefährte Laurent Petin sie am 29. Mai 1982 tot in ihrer Wohnung in Paris auf. Nachdem zuerst von Selbstmord gemunkelt wurde, stellte der Obduktionsbericht Herzversagen als natürliche Todesursache fest.

In Boissy-sans-Avoir nahe Paris wurde Romy Schneider beigesetzt. Nach ihrem Tod schrieb Alain Delon: "Sie können nicht begreifen, daß man um so ungeeigneter fürs Leben wird, je größer man als Schauspielerin ist." Und er verglich sie mit Greta Garbo, Marilyn Monroe, Rita Hayworth. In Deutschland rief man als Erinnerung an sie den Romy-Schneider-Preis ins Leben, in Wien wird alljährlich der Fernsehpreis Romy verliehen. Die goldene Statuette zeigt sie in einer Szene aus ihrem Film "Der Swimming-Pool".

Foto: Romy Schneider in dem Film "Das Mädchen und der Kommissar" (1970): Rollen, die dem Lebensgefühl ihrer Generation entsprachen


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