© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Über frühere Irrtümer hinweggetröstet
Der WDR-Journalist Peter Bender, vor 1989 "Status-quo-Apologet", erzählt deutsch-deutsche Geschichten
Detlef Kühn

Der Verlag bezeichnet Peter Benders hier anzuzeigendes Buch als "die erste Geschichte ganz Deutschlands von 1945 bis 1990". Das grenzt zwar an Hochstapelei, ist allerdings dem Autor nicht anzulasten. Wenn sein Buch auch mit Historiographie im strengen Sinne kaum zu tun hat, sondern eher einen umfangreich geratenen Essay darstellt, bringt er doch im Anhang "Hinweise und Nachweise", die die großspurige Verlagswerbung widerlegen. Bender, geboren 1923 und von Beruf Journalist, hat in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Berlin-Korrespondent des Westdeutschen Rundfunks Gelegenheit gehabt, die Probleme der Teilung Deutschlands hautnah zu erleben. Dabei hat er ein Faktenwissen erarbeitet, von dem er noch heute zehrt.

Die Art seines Umgangs mit der deutschen Frage in Büchern, Artikeln und Rundfunksendungen hat Peter Bender allerdings für die Zeit vor 1989 den berechtigten Vorwurf eingetragen, ein "Status-quo-Apologet" gewesen zu sein (Jens Hacker). Auch Alexander Gallus hat im Vergleich zwischen den Positionen Benders und seines politischen Freundes Egon Bahr den Eindruck, "bei Bender (erscheint) die Idee der Entspannung dem Ziel der deutschen Einheit weiter entrückt als bei dem SPD-Strategen". Typisch für Bender war damals eine Formulierung aus dem Jahre 1981: "Die Zweistaatlichkeit Deutschlands ist zu einem konstituierenden Element der europäischen Entspannung geworden. Die Unnormalität der deutschen Spaltung bildet die Bedingung für die Normalisierung im gespaltenen Europa." Leute wie er haben unter der Teilung nicht sonderlich gelitten.

Nach der Wiedervereinigung hat Bender in weiteren Publikationen unverdrossen erklärt, warum nun doch alles ganz anders gekommen ist, als er es seinerzeit erwartet und befürwortet hatte. In dieser Tradition steht auch sein neuestes Werk. Sein Ziel ist eine "ungeteilte" Nachkriegsgeschichte. Die Schwierigkeit beim Abfassen des Buches sieht er selbst darin, "Bundesrepublik und DDR gleichermaßen zu bedenken - wie sonst sollte man über Deutschland schreiben." Der selbst auferlegte Zwang, die beiden Teile Deutschlands unter allen Umständen gleich zu bedenken, führt zu oft grotesken Verrenkungen in der Darstellung.

Stets müssen Bundesrepublik und DDR einander angeglichen werden, und zwar bis in die Wortwahl. Kostprobe: "Zwei Gründe gab es, einen Staat gegen den anderen abzuriegeln: die anderen nicht hereinlassen und die eigenen Leute nicht hinauslassen. Für die DDR war beides lebenswichtig, für die Bundesrepublik nur das erste, und auch das war größtenteils Einbildung." Das Schema ist immer dasselbe: eine verallgemeinernde Behauptung über beide Teile Deutschlands, möglichst mit einer Gleichsetzung verbunden. Wenn das Ergebnis dann mit den historischen Erfahrungen nicht zu vereinbaren ist, wird in einem Nachsatz die Hälfte der ersten Behauptung wieder zurückgenommen.

Noch ein Beispiel: "Nur Westdeutsche hatten die Möglichkeit, (den Abstand) durch Besuche zu überbrücken, nur eine Minderheit tat es (das waren immerhin viele Millionen, wie auch Bender an anderer Stelle mitteilt; D.K.). Für die große Mehrheit der getrennten Deutschen wurde es immer schwerer, einander zu verstehen. Zu vieles war anders auf der anderen Seite. (...) Wer sich Mühe gab, merkte, daß die Unterschiede so groß nicht waren, wie sie schienen, aber nur manche gaben sich Mühe. Als sich die Deutschen nach der Vereinigung wieder direkt begegneten, schüttelten sie die Köpfe über einander. (...) Die Verfremdung, die beide durch ihre Systeme erfahren hatten, hatte zur Entfremdung geführt." Alles klar?

Natürlich weiß Bender, daß die DDR-Bürger viel besser über den Westen Bescheid wußten als die Westdeutschen über die DDR, und sagt das an anderer Stelle auch. Aber sein historisches Urteil wird durch dieses verkrampfte Schema oft falsch und die Lektüre quälend, weil der Leser immer wartet, ob eine voreilige Aussage vielleicht doch noch relativiert wird.

Bei der Darstellung des Zusammenbruchs des kommunistischen Systems in der DDR und in Osteuropa bringt Bender nichts Neues, aber wenigstens auch nichts Falsches. Er arbeitet heraus, daß es die friedliche Revolution der Deutschen in der DDR war, die die rasche Wiedervereinigung erzwang.

Ganz mag er aber auch jetzt noch nicht von seiner antinationalen Einstellung lassen, wenn er am Schluß resümiert: "Die Vereinigung Deutschlands gelang nicht deshalb, weil die Nation zu stark war, um die Teilung für immer zu ertragen; sie wurde möglich, weil die Sowjetunion zu schwach war, um sich für immer in Mitteleuropa zu behaupten. Den Demonstranten vom Herbst 1989 bleibt das historische Verdienst, die Möglichkeit genutzt und die deutschen Kommunisten von der Macht verdrängt zu haben, damit wurde die Stellung der Sowjetunion in Deutschland unhaltbar. Die Vereinigung mit der Bundesrepublik war nicht das Ziel der Revolution, wohl aber ihre Folge." Diese Schlußfolgerung braucht Bender wohl, um sich über frühere Irrtümer hinwegzutrösten.

 

Detlef Kühn war von 1972 bis 1991 Präsident des Gesamtdeutschen Instituts in Bonn.

 

Peter Bender: Deutschlands Wiederkehr. Eine ungeteilte Nachkriegsgeschichte 1945-1990, Klett-Cotta, Stuttgart 2007, gebunden, 325 Seiten, 23,50 Euro


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