© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Der Befreiungskampf ging von unten aus
Das Hambacher Fest war ein tausendfach getragener Höhepunkt der nationalen Einheits- und Freiheitsbewegung zwischen 1813 und 1848
Christian Vollradt

Der Kampf gegen die französische Fremdherrschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts war einer der stärksten Impulsgeber für die Verbreitung eines deutschen (Befreiungs-)Nationalismus, der von einigen akademischen Vordenkern schon längere Zeit propagiert worden war. Noch während der französischen Besatzung in Berlin hielt Johann Gottlieb Fichte jene berühmten "Reden an die deutsche Nation", in denen er unter anderem klarstellte, was zunächst die Bedingung für die Befreiung vom fremden Joch sei: "Man muß der deutschen Nation das Bewußtsein der Selbständigkeit geben."

Die Kunde von der Niederlage Napoleons vor Moskau Anfang Dezember 1812 und vom eigenmächtigen Handeln des preußischen Generals Yorck in der Konvention von Tauroggen, die die Herauslösung der preußischen Hilfstruppen aus dem französischen Heeresverband bedeutete, war schließlich die Initialzündung für den Befreiungskampf. Sie ging wohlgemerkt in Preußen von unten aus: Das Volk drängte den zögernden König Wilhelm III. zum Bruch mit dem "Kaiser" der Franzosen, der schließlich nachgab und die patriotische Begeisterung in seinem Aufruf "An mein Volk" aufgriff, in dem jetzt gleichermaßen von Preußen und Deutschen die Rede war. Überall meldeten sich junge Bauern, Handwerker und Studenten zu den Landwehrformationen und "Freiwilligen Jägern"; die Ideen der Reformer Scharnhorst, Clausewitz und Gneisenau wurden verwirklicht, die auf Volksbewaffnung und die Abschaffung adliger Privilegien - in der Armee wie im Staat - setzten: "Nach errungener Unabhängigkeit ist kein anderer Adel gültig als derjenige, der in diesem heiligen Krieg erneuert worden ist (...) durch große, dem Vaterlande dargebrachte Opfer."

In seinem Abschiedsbrief an den Vater schrieb Theodor Körner, was ihn - wie so viele andere Altersgenossen - zu den Waffen eilen ließ: "Ich will Soldat werden, (...) um, sei's auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen." Noch keine 22 Jahre alt, fiel Körner am 26. August 1813 in der Nähe von Schwerin als Leutnant und Adjutant des berühmten Freikorpsführers von Lützow. Seine postum veröffentlichte Gedichtsammlung "Leier und Schwert" machte ihn zu einem der bekanntesten Dichter der Befreiungskriege.

Doch dem Sieg über den französischen Tyrannen folgte nicht das, was sich die Freiwilligen von 1813 erhofft hatten und was ihnen zugesichert worden war: ein staatlich geeintes Deutschland und politische Mitbestimmungsmöglichkeiten. Der freiheitliche, nationale Aufbruch erstarb in Partikularismus und bisweilen fürstlicher Despotie.

Der Historiker Friedrich Christoph Dahlmann stellte 1815 fest: "Es muß ein innerlich Ganzes werden aus dem vielgliedrigen Deutschland, oder das Blut so vieler Edlen ist umsonst geflossen." Diese Befürchtung lag jedoch nahe, wenn man sich das Ergebnis ansieht: Der neu geschaffene "Deutsche Bund" bestand aus 39 souveränen Staaten, lose verbunden im Frankfurter Bundestag. Und weiterhin sollten ausländische Mächte über die deutschen Dinge mitbestimmen. Denn die Könige von England und Dänemark waren als Souveräne von Hannover und Holstein mit von der Partie. Das war nicht die deutsche Einheit, für die zwei Jahre zuvor gekämpft worden war.

Ernst Moritz Arndt, Professor in Bonn und einer der geistigen Mentoren der nationalen Bewegung, stellte resignierend fest: "Von dieser Vielherrschaft brauch ich nichts Langes zu sagen; daß sie die Schande und das lange Unheil des Vaterlandes ist, weiß ein jeder." Ein zeitgenössischer Fluch der Patrioten brachte dasselbe etwas kürzer auf den Punkt: "O Bund - du Hund!"

Am 18. Oktober 1817 trafen sich 500 Studenten aus elf deutschen Universitäten aus Anlaß des 300. Jahrestages der Reformation und zum Gedenken an die Leipziger Völkerschlacht auf der Wartburg. Zum ersten Mal traten damit die "Burschenschaften", zwei Jahre zuvor von ehemaligen Kriegsteilnehmern an deutschen Hochschulen gegründet, überregional in Erscheinung. Obwohl nur eine Minderheit repräsentierend, bildete die Burschenschaft die "gesamtdeutsche Erlebnis- und Bewußtseinsgemeinschaft" (Thomas Nipperdey). Auch in Äußerlichkeiten sollte diese Jugendbewegung richtungweisend sein; die "Ur-Burschenschaft" in Jena, deren Gründer mehrheitlich ehemalige Lützowsche Jäger waren, griff die Uniformfarben dieser Einheit in ihrer Fahne auf: rot-schwarz-rot mit goldenem Eichenlaub.

Nationale Einheit und konstitutionelle Freiheit - so lauteten die wesentlichen politischen Ziele in den "Grundsätzen der Wartburgfeier", die bei einigen Landesfürsten bereits Mißtrauen erregten. Als der Burschenschafter Karl Ludwig Sand im März 1819 den Schriftsteller August von Kotzebue - unter den Studenten als "Fratze der Reaktion" verhaßt - ermordete, griff die Staatsmacht ein. Mit den vom Bundestag im September verabschiedeten Karlsbader Beschlüssen begann die Zeit der "Demagogenverfolgung": Verbot der Burschenschaft, Relegation politisch unzuverlässiger Studenten und Professoren (darunter auch Arndt), Zensur und Gesinnungsschnüffelei. Wer sich der nationalen Bewegung verschrieben hatte, kam in Haft, ging ins Exil oder schwieg lieber. Ein Lied August Binzers gibt die resignierte Stimmung wieder: "Das Band ist zerschnitten,/ war schwarz, rot und gold./ Und Gott hat es gelitten,/ wer weiß, was er gewollt."

Nachdem der "deutsche Dreifarb" samt der Forderung nach Einheit und Freiheit beim Hambacher Fest in der Öffentlichkeit wiederbelebt worden war, erließ der Deutsche Bund mit den Sechs Artikeln vom 28. Juni 1832 neue "Maßregeln" dagegen und bildete eine neue Überwachungskommission. Davon unbeeindruckt hielt eine Handvoll radikaler Nationalrevolutionäre im April 1833 das Gelingen eines Umsturzes für möglich und stürmte - als Fanal - die Hauptwache in Frankfurt, dem Sitz des Bundestages. Die Revolte endete jedoch ebenso blutig wie erfolglos.

Erst mit der Märzrevolution des Jahres 1848 und der anschließenden Wahl zur Nationalversammlung in der Paulskirche konnte sich der Einheits- und Freiheitswille der Deutschen bis hin zu einer Verfassung durchsetzen. Selbst der preußische König Friedrich Wilhelm IV. zeigte sich mit schwarz-rot-goldener Binde und stellte sich "unter das ehrwürdige Banner des Deutschen Reiches", wie er sagte. Nach seiner Weigerung, die Kaiserwürde anzunehmen, zerplatzte dieser Traum jedoch, und die entmachtete Nationalversammlung wurde aufgelöst.

"Wir sind geschlagen, nicht besiegt", stellte Ernst-Moritz Arndt fest. Und tatsächlich gab es in der nationalen Frage kein Zurück mehr hinter die Ergebnisse des Jahres 1848. Das Ziel der deutschen Einheit blieb auf der politischen Tagesordnung.

Foto: Die Kokarde trug man am Revers oder am Hut: "Deutscher Dreifarb"


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