© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Kolumne
Rückzug? Und dann?
Rolf Stolz

Das Leben ist nicht einfach. Es ist nicht einmal zweifach. Man möchte an diese kalauerhafte, aber dennoch unabweisliche Wahrheit erinnern, verfolgt man die Reaktionen, die in Politik und Publizistik nach dem erneuten Anschlag in Kundus laut wurden. Einerseits gibt es gute Gründe, das militärische Afghanistan-Engagement in Frage zu stellen (die Notwendigkeit einer Konzentration der begrenzten deutschen Kräfte im nahen Ausland, die Unbeeinflußbarkeit amerikanischer Politik durch die als Satelliten behandelten "Verbündeten" usw.). Andererseits leitet die meisten Rückzug-Rufer teils purer Opportunismus, teils Kapitulantentum gegenüber dem Polit-Islam.

Nur - die Rückzugsdiskussion ist weder erledigt durch das Nullniveau mancher Diskutanten noch durch Merksätze wie den, daß die deutsche Demokratie am Hindukusch verteidigt werde. Das Fatale ist allerdings, daß diese Aussage an sich völlig richtig ist: Wer die schleichende Machtübernahme des Islams in Europa verhindern will, der muß auch weltweit gegen alle Machtbasen aller Fraktionen des politischen Islams kämpfen, ob diese nun über die Staatsmacht verfügen wie eine Zeitlang die Taliban oder ob sie wie al-Qaida vom Schützengraben aus in die Regierungspaläste drängen oder wie Hamas und Hisbollah schon anderthalb Füße auf dem roten Teppich haben.

Unser Dilemma: "Unsere" Regierung hat ohne Not ausgerechnet in Afghanistan militärisch interveniert, obwohl man um die Risiken wußte. Zöge man sich nun nach den ersten begrenzten Terroranschlägen zurück, wäre das ein Signal an alle Islamisten, daß Deutschland sich zum Papiertiger erklärt - und eine offene Aufforderung, mit Folgeangriffen (per Bomben, Entführungen usw.) die rheinisch-berlinische Republik so lange vor sich her zu treiben, bis diese mit dem Rücken zum Abgrund steht.

Wie also antworten? Ganz sicher nicht durch Verhandeln mit den von Beck und Co. entdeckten "moderaten Taliban", sondern im entschlossenen Gegenangriff auf die Bastionen des Islamismus. Etwa durch Gesetze, die die zügige Ausweisung aller Haßprediger und islamistischen Aktivisten ermöglichen und ihren Propaganda-Lautsprechern den Strom abdrehen. Auch hier gelten die Lerngesetze: Die Feinde der europäischen Kultur, des Christentums, der Aufklärung, der Demokratie wiederholen alles, was ihnen Erfolg einträgt. Sie unterlassen irgendwann das, was ihnen nur heiße Ohren und verbrannte Vorderpfoten beschert.

 

Rolf Stolz war Mitbegründer der Grünen und lebt als Publizist in Köln.


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