© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

"Kranken keine falschen Hoffnungen machen"
Lebensrecht: Diskussion über embryonale Stammzellenforschung / Kritik an Plänen zur Abschaffung der Stichtagsregelung / Symposium in Berlin
Anni Mursula

Seit Februar wird in Deutschland wieder über Stammzellen diskutiert. Damals hatte der Bundestag über einen Gesetzesentwurf der FDP beraten, der die Abschaffung der Stichtagsregelung (nach Deutschland dürfen nur Stammzellen importiert werden, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind) im Stammzellgesetz zum Ziel hat (JF 6/07). Auch im Forschungsausschuß wurde Anfang Mai über den Entwurf debattiert. Dabei wurde deutlich, daß es tatsächlich noch viel Diskussionsbedarf gibt.

Aus diesem Grund hatte der Bundesverband für Lebensrecht (BVL) am vergangen Donnerstag hochkarätige, internationale Stammzellenforscher zu einer Expertenrunde nach Berlin eingeladen. Auf der Tagung sollte erläutert werden, wie erfolgreich Stammzellen in Forschung und Therapie wirklich sind. Schließlich betrieben verschiedene Interessensgruppen damit Politik, daß sie Heilungschancen durch embryonale Stammzellen versprächen. Doch die Wirklichkeit sehe anders aus. Alle Wissenschaftler auf dem Symposium waren sich einig: Die Forschung mit embryonalen Stammzellen spiele sich noch vollständig im Bereich der Grundlagenforschung ab. Es sei bis jetzt nicht wissenschaftlich bewiesen, daß diese Stammzellen jemals konkrete Therapiemöglichkeiten für Krankheiten böten - wie dies bereits von vielen Forschern öffentlich behauptet worden sei.

"Bisher wurde kein einziger Mensch durch embryonale Stammzellen geheilt", sagte der Stammzellenforscher von der Universität Newcastle in England, Colin McGuckin. Deshalb sei es unverantwortlich, kranken Menschen falsche Hoffnungen zu machen. Außerdem gebe es bereits Möglichkeiten, viele Krankheiten durch adulte, also körpereigene Stammzellen zu heilen. Diese Methode sei bereits weit entwickelt und habe echte Erfolge nachweisen können. Doch Befürworter der embryonalen Stammzellenforschung argumentieren, daß nur die jungen embryonalen Zellen über besonders günstige Eigenschaften verfügten und damit neue Möglichkeiten anböten.

Stammzellen aus Nabelschnurblut

Doch das konnte McGuckin widerlegen: 2005 publizierte er mit seinem Team erstmals über die Gewinnung von Stammzellen aus Nabelschnurblut. Er konnte nachweisen, daß diese Zellen über ähnliche Eigenschaften verfügten, wie sie bisher nur bei embryonalen Stammzellen bekannt waren. Dadurch seien auch die letzten Argumente für embryonale Stammzellenforschung entfallen. "Das hat viele meine Kollegen sehr geärgert", sagte McGuckin. In seinem Vortrag unterstrich er die Bedeutung der Nabelschnurzellen für die Zukunft. Bereits jetzt würden solche Zellinien in der Pharmaindustrie benutzt, um Medikamente zu testen.

McGuckin sieht in diesen Zellen die Zukunft der Stammzellenforschung. Er plant zum Beispiel Nabelschnurblutbanken, in denen Tausende verschiedener Arten von Stammzellen lagern sollen. Doch das kostet viel Geld. Es sei deshalb wichtig, Regierungen davon zu überzeugen, in diese Art von Stammzellenforschung zu investieren - nicht in die embryonale, die noch nicht wissenschaftlich belegt und außerdem ethisch problematisch sei. "Dagegen sind Stammzellen aus Nabelschnurblut ethisch vollkommen unbedenklich", sagte er. Schließlich schade es keinem, wenn nach der Geburt eines Kindes Blut aus der Nabelschnur entnommen wird.

Gerade die ethische Verantwortung in diesem Wissenschaftszweig wurde auf der Tagung herausgestellt. Vor allem die Stichtagregelung sollte unangetastet bleiben. Denn mit der Abschaffung dieser Regelung, wie von der FDP gefordert, würde das komplette Embryonenschutzgesetz in Frage gestellt. "Und genau dies ist das eigentliche Ziel der Kräfte, die hinter dem Gesetzesentwurf stehen: Sie verstecken sich hinter einer bloßen Abschaffung des Stichtages im Stammzellengesetz und wollen in Wahrheit das Embryonenschutzgesetz aushebeln", faßte der Medizinrechtler und Sachverständiger der Enquete-Kommission ("Ethik und Recht der modernen Medizin") der Bundesregierung, Rainer Beckmann, zusammen.

Der BVL im Internet: www.bv-lebensrecht.de, Telefon: 030 / 44 05 88 66


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