© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Rätselhafter Gipfelstürmer
CSU: Vermeintliche oder tatsächliche Extremisten verfolgt der bayerische Innenminister Günther Beckstein konsequent wie kaum ein anderer
Paul Rosen

Wenn Bayern bis Ende September kein politisches Erdbeben erleben sollte, dann wird Günther Beckstein den Gipfel seiner politischen Laufbahn erreichen und die Nachfolge von Ministerpräsident Edmund Stoiber antreten. Daß ein protestantischer Franke in dem von katholischen Altbayern geprägten Land so hoch aufsteigen kann, ist schon eine Sensation in seiner Partei, der CSU.

Es hat fast 35 Jahre gedauert, bis Beckstein so weit kam. 1971 ließ sich der aus einer Lehrerfamilie in Hersbruck stammende Beckstein als Anwalt in Nürnberg nieder. Seine politische Laufbahn begann in der Jungen Union, wo er bereits auf Mitstreiter traf, die bis heute in der CSU den Ton angeben: Stoiber, Erwin Huber und Kurt Faltlhauser. Die Truppe der Jung-Unionisten gehörte zum Nachwuchsteam von Franz Josef Strauß, der sich stets als Förderer von Nachwuchskräften hervorgetan hatte. Becksteins Karriere verlief planmäßig: 1974 zog er erstmals als direkt gewählter Landtagsabgeordneter aus Nürnberg in den bayerischen Landtag ein.

Strauß hatte es mit der Förderung des jungen Beckstein, der sich von Beginn seiner Abgeordneten-Laufbahn als Innenpolitiker hervortat und bereits über den "Gewissenstäter im Straf- und Strafprozeßrecht" promoviert hatte, nicht eilig. Im Herbst 1987 wollte Beckstein sogar in die Nürnberger Kommunalpolitik zurückkehren und Oberbürgermeister werden. Er verlor jedoch die Stichwahl. Erst nach dem Tod des CSU-Altmeisters 1988 konnte Beckstein unter dem damaligen Innenminister Stoiber Staatssekretär werden. Als Stoiber nach der Amigo-Affäre von Max Streibl Ministerpräsident wurde, kam Becksteins Chance: Er wurde Innenminister (1993). In diesem Amt befindet er sich bis heute.

Schon als Staatssekretär erwarb sich Beckstein den Ruf eines politischen Hardliners. Ob es gegen "Scheinasylanten" oder Scientologen ging oder um die Einführung des "Großen Lauschangriffs": Stets war Beckstein einer der Wortführer. Die eher liberale Süddeutsche Zeitung nannte ihn respektvoll den "großen Zupacker". Dabei ist Beckstein in kleinem Kreis ein aufmerksamer und freundlicher Gesprächspartner, autoritäre Züge sind ihm fremd. Er schöpft aus seinem tiefen christlichen Glauben, hat in der evangelischen Kirche mehrere Ämter inne.

Stets einer der Wortführer

Dennoch: In der Öffentlichkeit macht der bayerische Innenminister auf Härte. Mitte der neunziger Jahre sorgte er dafür, daß die "Republikaner" unter der Rubrik Rechtsextremismus im bayerischen Verfassungsschutzbericht auftauchten, obwohl nicht wenige Parteifreunde in der damaligen Schönhuber-Truppe einen potentiellen Koalitionspartner sahen. Im bayerischen Verfassungsschutzbericht fand sich allerdings auch die PDS als verfassungsfeindliche Partei wieder. Und jedes Jahr im Februar, wenn Demonstranten gegen die Münchener Sicherheitskonferenz zu Felde ziehen wollen, läßt ihnen Beckstein Paroli bieten. Mit so großem Erfolg, daß in der linken Krawall-Szene inzwischen von der Fahrt nach München abgeraten wird.

Warum Beckstein, der mit seiner Frau Marga (einer Lehrerin) drei Kinder hat und seit jeher in geordneten Verhältnissen lebt, anders als die anderen Innenminister-Kollegen besonders scharf gegen echte und vermeintliche Extremisten vorgeht, ist für die meisten Beobachter ein Rätsel. Manch einer erinnert daran, daß Becksteins fränkische Heimat mit ihrer Hauptstadt Nürnberg immerhin "Stadt der Reichsparteitage" war. Aber Beckstein (Jahrgang 1943) ist zu jung, um noch direkte Erinnerungen an das nationalsozialistische Regime zu haben. Doch wird auch gerätselt, ob es in der Familie des CSU-Politikers politische Problemfälle gegeben haben könnte, die beim jungen Beckstein zum Haß auf alles führten, was unter Rechtsverdacht steht. Auf jeden Fall war Franken eine Region, in der Parteien rechts von der CSU leichteres Spiel hatten als anderswo. Die NPD feierte hier in den sechziger Jahren Triumphe.

Ob kleine oder große Gruppen: Wenn Beckstein einen Verdacht hat, kann man sicher sein, daß sich die Verdächtigten bald im Verfassungsschutz wiederfinden. Das ging der Aktivitas der Burschenschaft Danubia in München so. Die älteste Burschenschaft in der Landeshauptstadt, zu deren Alten Herren zahlreiche CSU-Mitglieder und auch Angehörige des bayerischen Staatsdienstes gehören, geriet unter Verdacht, weil sie angeblich rechtsextreme Referenten eingeladen hatte. Seit mehreren Jahren steht die "Danubia"-Aktivitas ohne Angabe von Gründen in dem Bericht (JF 22/07).

In der Frage des NPD-Verbotes trieb Beckstein sogar die rot-grüne Bundesregierung vor sich her. Am 1. August 2000 trat der CSU-Politiker erstmals mit der Verbotsforderung öffentlich auf. Die Bundesregierung müsse ein Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht beantragen, forderte er.

Später sagte Beckstein über diese Tage, er habe sich "allein auf der Zugspitze in einem Orkan" gefühlt. Denn Rot-Grün hielt gar nichts davon. Die Grünen-Chefin Renate Künast nannte ein Verbot "juristisch unsinnig", und die damalige Innen-Staatssekretärin Cornelia Sonntag-Wolgast (SPD) hielt es für "nicht ratsam". Man wußte in Berlin um die juristischen Schwierigkeiten, unterschätzte aber Becksteins Hartnäckigkeit. Der führte einen Feldzug gegen die NPD und Rot-Grün, weil die Koalition sich weigerte, ein Verbotsverfahren zu beantragen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) lehnte es ab, eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Verbotsantrages einzusetzen.

Mit Erwin Huber zum Königsmord verabredet

Doch Rot-Grün und auch Unionspolitiker wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch kippten serienweise um. Am 4. August schon wurde die Arbeitsgruppe der Bundesregierung eingesetzt, und Kanzler Gerhard Schröder nannte das NPD-Verbot ein "Stück politische Hygiene". Schily und Beckstein arbeiteten schließlich bei der Formulierung des Verbotsantrages eng zusammen, und schon vor dem Abschluß der Beratungen der Arbeitsgruppe wußte der Bundesinnenminister, daß der Verbotsantrag kommen würde.

Obwohl das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag ablehnte, weil es in der NPD zu viele Verfassungsschutz-Spitzel gab, schadete Beckstein diese peinliche Niederlage nicht. Heute will er von einem Verbot nichts mehr wissen. "Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem ablehnenden Urteil die Kriterien so hoch gesetzt, daß ein erneutes Verbotsverfahren keine Aussicht auf Erfolg hätte", sagte Beckstein im vergangenen Jahr.

Das Jahr 2007 steht für Beckstein unter einem anderen Leitbild als dem Kampf gegen Rechts. Jetzt geht es um seine Karriere. Stillstand und Enttäuschung hat er oft genug erlebt. 2002 wollte Kanzlerkandidat Stoiber ihn als Bundesinnenminister nach Berlin holen. Rot-Grün gewann. 2005 holte ihn Angela Merkel in das Wahlkampfteam, aber Wolfgang Schäuble (CDU) wurde Innenminister.

In Bayern hatte Beckstein 2005 mit Erwin Huber um die Stoiber-Nachfolge gerungen und sich fast verbrannt, als er sagte, er wolle nicht unter Huber Minister sein. Doch Stoiber ging nicht nach Berlin, der Diadochen-Kampf war zu Ende. Im Januar 2007 stürzte Stoiber, weil in Kreuth Unerhörtes geschah: Die ewigen Rivalen Huber und Beckstein hatten sich zum gemeinsamen Königsmord verabredet. Für Beckstein ist damit der Weg ins höchste bayerische Amt frei, weil es in der CSU niemanden gibt, der ihm das streitig machen könnte. Aber der Ruf des Königsmörders bleibt.


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