© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Streben nach nationaler Autarkie
G8-Gipfel: Die NPD will ihre Kampagnenfähigkeit demonstrieren und versucht sich als Partei der Globalisierungsgegner zu profilieren / Demonstration in Schwerin
Peter Freitag

Gewaltsame Demonstrationen und Brandsätze, Hausdurchsuchungen und millionenteure Sicherheitsvorkehrungen: Unmittelbar vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm wird die Berichterstattung über die sogenannten Globalisierungskritiker in erster Linie dominiert von Meldungen über bereits begangene oder drohende Gesetzesbrüche.

Ein Blick auf vergangene Konferenzen zeigt, daß die Treffen der G8-Staaten immer wieder von linksextremen Gewalttätern zur Selbstdarstellung genutzt worden sind. Zwar betonen Organisationen wie Attac, sie agierten stets gewaltfrei, doch geistern auch immer wieder Versatzstücke einer Rechtfertigung solcher "Militanz" durch die Verlautbarungen. Im übrigen wird stets vor einer generellen "Kriminalisierung" der Antiglobalisierungsproteste gewarnt.

Weniger tolerant steht man jedoch jener Bewegung gegenüber, die sich unter dem Motto "Gib8 - sozial statt global" zusammengefunden hat und inhaltlich wie personell maßgeblich von der NPD und sogenannten "Freien Nationalisten" getragen wird. Daß sich die extrem Rechten damit wieder einmal eines ihrer Kernthemen bemächtigen - des Protests gegen kapitalistischen Wildwuchs samt daraus resultierendem Sozialabbau -, ist den Linken offensichtlich ein Dorn im Auge. Doch das Argument, der NPD ginge es wie schon bei den Anti-Hartz-IV-Protesten nur um populistischen Stimmenfang, greift zu kurz. Tatsächlich begreifen sich die "linken Leute von rechts" selbst als die wahren Globalisierungskritiker, nach deren Ansicht Organisationen wie Attac mit ihrer an "Individualismus und Menschenrechts-Ideologie" orientierten Argumentation bloß eine Globalisierung mit anderen Vorzeichen propagierten. "Es ist ein Widerspruch in sich, gleichzeitig Globalisierungsgegner und Internationalist zu sein", heißt es dazu in einem Faltblatt der NPD.

Für die "volkstreue Opposition" ist der starke Nationalstaat die Grundvoraussetzung für einen gerechten Sozialstaat. Mit ihrem "volks- und heimatbezogenen Konzept" kämpfe die NPD gegen die internationale "Finanzmacht" und ihre Freihandelsdoktrin, bei der es allein um Gewinnmaximierung gehe. Dadurch werde der globale Wettbewerb verstärkt, in der Folge sinke durch den Konkurrenzdruck aus Billiglohnstaaten das soziale Niveau in Deutschland weiter. Folge der Globalisierung sei neben Massenarbeitslosigkeit auch Massenzuwanderung, die wiederum die Zielländer destabilisiere.

Forderung nach "nationaler Wirtschaftspolitik"

Die NPD setzt dagegen ihr Konzept der "raumorientierten Volkswirtschaft", die im wesentlichen eine nationale Autarkie anstrebt und nur einen die inländische Produktion ergänzenden Handel vorsieht. Versorgungsbetriebe (wie Energie- und Wasserwirtschaft) sollen nach dem Willen der Nationaldemokraten in staatlicher Hand bleiben. Kernforderung einer "nationalen Wirtschaftspolitik" bleibt nach den Worten des sächsischen Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel, daß "das Kapital der Wirtschaft dienen muß, und nicht umgekehrt".

Vorbilder oder Genossen für den antikapitalistischen Kampf unter nationalen Vorzeichen findet die NPD in lateinamerikanischen Machthabern wie dem venezolanischen Linksnationalisten Hugo Chávez. Der habe gezeigt, so schreibt das Parteiblatt Deutsche Stimme, daß Verstaatlichung und Investition der Gewinne in die soziale Fürsorge des Volkes erfolgreich sei. Während in internen Argumentationspapieren der NPD als antisemitisch geltende Begriffe wie "Herrschaft des Großen Geldes" oder "amerikanische Ostküste" Verwendung finden, finden sie sich in Faltblättern, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, nicht.

Der Anti-G8-Protest hat für die NPD neben einer inhaltlichen aber auch eine organisatorische Bedeutung. So schreibt Generalsekretär Peter Marx, daß mit den Aktionstagen und der am 2. Juni in Schwerin stattfindenden "Großdemonstration" die "Kampagnenfähigkeit der Partei" unter Beweis gestellt werden müsse. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Außenwirkung als auch auf das Binnenklima: Nach all den Affären und Skandalen, mit denen sich die Partei in jüngster Zeit befassen mußte, könnte sich die NPD einmal wieder positiv ins Gerede bringen.

Unter den vom sozialen Abstieg bedrohten Bevölkerungsschichten, die sich als Opfer der Globalisierung sehen, werden die Argumente der NPD unter Umständen besser ankommen als die "One-World"-ideologie der Linken. So stellt mit etwas Ungemach auch die linksradikale Zeitung Jungle World fest, daß "bei keinem anderen Thema die Schnittmengen zwischen dem Programm der NPD und der öffentlichen Meinung so groß (sind) wie bei Neoliberalismus, Globalisierung und Weltwirtschaft". Und auf der anderen Seite kann unter den antikapitalistischen Schlachtrufen endlich wieder ein Schulterschluß mit den radikalen "Freien Kräften" geübt werden, die in der vergangenen Zeit zunehmend von den NPD abgerückt sind.


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