© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Der alte Mann und die Moschee
Ralph Giordano: Der Schriftsteller steht nach seiner Ablehnung des geplanten islamischen Gotteshauses in Köln-Ehrenfeld in der Kritik
Doris Neujahr

Im Streit um eine zentrale Moschee in Köln-Ehrenfeld mit zwei 55 Meter hohen Minaretten bilden die sogenannten demokratischen Parteien eine Einheitsfront gegen die Mehrheit der eigenen Bevölkerung. Nur die Bürgerinitiative Pro Köln nimmt den Unmut gegen die Baupläne auf und wird dafür als "rechtslastig" diffamiert. Nun hat auch der Publizist Ralph Giordano klare Worte dazu gefunden.

In einem vom Kölner Stadt-Anzeiger veranstalteten Streitgespräch mit Bekir Alboga, dem Dialogbeauftragten der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), kritisierte er, daß die Bevölkerung nicht gefragt worden sei, ob sie dieses Zeichen einer fremden Kultur in ihrer Mitte überhaupt wolle. Von einem Symbol der Integration könne keine Rede sein. Zwar würde davon seit 25 Jahren gesprochen, aber sie habe gar nicht stattgefunden. Er verwahrte sich auch dagegen, die christliche und islamische Religion auf eine Stufe zu stellen. Giordano konnte in dem Disput klar punkten, weil er die Regeln der politischen Korrektheit ignorierte. Abgesehen von der polemischen Bemerkung, verhüllte Frauen kämen ihm als "menschliche Pinguine" vor und beleidigten sein ästhetisches Empfinden, hat er dabei nur Selbstverständlichkeiten geäußert. Inzwischen erhält er Morddrohungen.

Die etablierten Parteien in Köln haben Giordanos Intervention zurückgewiesen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen konzedierte, daß er weitverbreitete Befürchtungen formuliert habe, trotzdem sprach sie sich für "eine offene Moschee" als ein "Symbol für Toleranz und Respekt" aus. Eine Begründung, warum ein islamisches Gotteshaus für 2.000 Gläubige gerade dies und nichts anderes bedeute, gab sie nicht.

Ihre ebenfalls aus Köln stammende SPD-Kollegin Lale Akgün sagte, Giordano unterschlage, daß die Probleme mit Muslimen "soziale und nicht religiöse Gründe" hätten, außerdem ignoriere er die millionenfache gelungene Integration. Eine Erklärung, warum die Pisa-Ergebnisse, die Arbeitslosen-, Sozial- und Kriminalitätsstatistiken durchweg moslemische Problemgruppen ausweisen, blieb Akgün schuldig.

Er beschreibt das Klima der Einschüchterung

Der Bezirksvorsteher von Köln-Ehrenfeld und Moschee-Befürworter Josef Wirgen (CDU) hat registriert, daß an einer für den 16. Juni angekündigten Gegendemonstration auch "Neonazis" teilnehmen wollen. Damit sei die Frage eine "Auseinandersetzung zwischen Demokraten und Rechtsextremisten". So wären die Moschee-Befürworter pauschal den "Demokraten" zuzurechnen? Man spürt, daß der CDU-Mann sich lediglich aus dem tatsächlichen in einen virtuellen Konflikt flüchten möchte.

Nun ist es absolut unmöglich, Giordano dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Er selber versteht sich als "Leitwolf der Gegenseite". Giordano hat jahrzehntelang am Popanz der "faschistischen Gefahr" gewerkelt, um dann publikumswirksam gegen ihn zur Attacke zu blasen. Diesen Aktivitäten und seinem Status als Holocaust-Überlebender verdankt er seinen Medienruhm. Seinen Kölner Kritikern entgegnete er in der Bild-Zeitung, der Vorwurf der Nazi-Nähe sei ein Totschlagargument, gegen das ihn seine Biographie ja wohl schütze. Nachdem er so seine Exklusivität hervorgehoben hatte, kennzeichnete er das "eigentlich Unheimliche der Situation": "Daß nämlich viele Menschen, die meinen Hintergrund nicht haben, die gleiche Kritik an dem Bau der Moschee und an den islamischen Parallelgesellschaften überhaupt äußern möchten. Jedoch nicht wagen, eben weil sie fürchten, dann eben in die rechte, rassistische, neonazistische Ecke gestellt zu werden, zweitens, plötzlich die falschen Bundesgenossen an ihrer Seite haben." Das ist ein recht genaue Beschreibung des Klimas der Einschüchterung, das in Deutschland herrscht.

Er muß sich freilich vorwerfen lassen, es maßgeblich mitgeschaffen zu haben. Ob in der Ausländer-, Wehrmachts- und zuletzt in der Filbinger-Diskussion: Wo immer sich ein Narrenzug in Bewegung setzte, marschierte Giordano trommelnd voran, um die hundertprozentige Hegemonie des eigenen Meinungslagers abzusichern. So wurde er zum Vorzeigeintellektuellen, den man mit Preisen überhäufte. 1993 hatte er sogar gemeint, Ausländer und Juden müßten sich bewaffnen, da der deutsche Staat sie nicht schütze. Über die angeblich verdrängungsseligen Deutschen veröffentlicht er das Buch "Die zweite Schuld".

Sein Dauerparlando über den virtuellen Faschismus hat geholfen zu verhindern, daß der Entstehung jener Probleme entgegengewirkt werden konnte, die er nun beklagt. Es sind ja ganz überwiegend keine Neonazis, sondern junge Moslems, die in Deutschland jüdische Schüler oder Touristen bedrohen. Vom deutschen Schuldkomplex lassen sie sich nicht einschüchtern, sie haben im Gegenteil gelernt, diesen gegen die Deutschen zu wenden. Giordano gehört zu denen, die ihnen diese Waffe in die Hand gegeben haben. Was er im Disput mit dem Ditib-Vertreter als ästhetisches Unbehagen am deutschen Straßenbild formuliert, ist die Ahnung, daß sich biologisch-demographisch eine neue Lebenswelt ankündigt, in der das, was ihm wichtig ist, keine Rolle mehr spielt. Unter diesen Umständen ist eine Riesen-Moschee tatsächlich kein Symbol der Integration, sie demonstriert vielmehr einen Machtanspruch und den Willen zur Einschüchterung. Kein Wunder, daß Giordano bange wird.

Größenwahnsinniger Theaterdonner

Im Anpasser- und Opportunisten-Milieu, dessen Entstehung er gefördert und das ihn bisher hofiert hat, findet er keine Bündnispartner. Denn um sich an seine Seite zu stellen, wäre Mut nötig. Den aber kann man nicht erheucheln. Es ist durchaus denkbar, daß der 84 Jahre alte Giordano sich mehr als je zuvor an die Zeit vor 1933 erinnert fühlt. Schon vor Hitlers Machtergreifung hatten viele Behörden, Politiker, Richter und Journalisten ihre Entscheidungen und Äußerungen darauf abgestimmt, was die zukünftigen Herren dazu wohl sagen würden.

Vielleicht erinnert er sich an ein früheres Streitgespräch, das er 1994 mit dem Schriftsteller Stefan Heym führte. Giordano hatte ihn wegen seiner Kandidatur für die PDS scharf angegriffen und insistiert, was wohl passiert wäre, wenn nicht die Bundesrepublik, sondern die SED die Spielregeln der Wiedervereinigung bestimmt hätte. Heym war um eine Antwort nicht verlegen: Zwei Drittel der Bonner Politiker wären mit wehenden Fahnen zur SED übergelaufen!

Wenn man sich überlegt, daß die etablierten Parteipolitiker in Köln zu fast hundert Prozent der Moschee zuneigen, wird man finden, daß Heym die bundesdeutschen Funktionseliten eher noch zu günstig eingeschätzt hat.

Im Interview mit der Bild-Zeitung hat Giordano sich von Pro Köln mit der Bemerkung distanziert, diese Leute würden ihn, wenn sie nur könnten, in die Gaskammer schicken. Die Anzeige wegen Verleumdung quittierte er "mit freudiger Erregung", schließlich habe er "die Gestapo am eignen Leib erfahren, diese Leute hier können mich nicht ängstigen".

Da ist er wieder, der größenwahnsinnige Theaterdonner des Ralph Giordano. Fürchtet er, daß die Selbstverständlichkeiten, die er über die Moschee geäußert hat, wirklich selbstverständlich werden könnten und er selber dann in die Bedeutungslosigkeit versinkt? Andererseits ist es bitter für ihn zu erleben, wie seine Narrheiten, mit denen er andere so erfolgreich traktiert hatte, sich nun gegen ihn wenden. Er sollte endlich ein Buch über "die dritte Schuld" verfassen: über seine eigene.

Foto: Ralph Giordano: Er versteht sich als "Leitwolf der Gegenseite"


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