© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Rote Seilschaft auf grünem Grund
Verkauf von Agrarland: Ungelöster Streit in den neuen Bundesländern / Strafanzeige gegen staatseigene BVVG
Klaus Peter Krause

Ämter und Behörden sind oft unbeliebt, denn sie prüfen, ordnen an oder versagen etwas. Daß sie damit allerdings auf heftigste Kritik stoßen, ist in Deutschland selten. Um so mehr fällt auf, wie anhaltend heftig der Widerstand gegen die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) ist.

Die 1992 gegründete Berliner Behörde ist laut Eigenwerbung "ein Immobiliendienstleister im ländlichen Raum, der im Auftrag des Bundes in den ostdeutschen Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ehemals volkseigene Äcker und Wiesen, Wälder, Gebäude und Gewässer privatisiert".

Sprich: Die BVVG verpachtet oder verkauft Agrar- und Forstland aus einstigem "volkseigenen" DDR-Bestand. Während der sowjetischen Besatzungszeit von 1945 bis 1949 war es den damaligen politisch verfolgten Eigentümern entschädigungslos weggenommen worden - und bei der Wiedervereinigung 1990 ist es in die Hand des gesamtdeutschen Staates gefallen. Dieser aber gab und gibt es den "Alteigentümern" rechtswidrigerweise nicht zurück, sondern verwertet es zugunsten der Staatskasse.

Pächter und Käufer dieses Landes "dürfen" auch Alteigentümer-Familien sein. Für sie ist der "Rückkauf" verbilligt - um 35 Prozent. Ebensolchen Anspruch auf den Vorzugspreis haben die sogenannten Wiedereinrichter, die bzw. deren Eltern in der DDR-Anfangszeit mit ihrem Land rechtswidrig in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) gepreßt wurden und die sich nach 1990 als Landwirte wieder selbständig gemacht haben. Der Vorzugspreis wird als Teilausgleich für das erlittene Unrecht von 1945 bis 1990 gewährt. Doch beide Gruppen sind den starken Landbegehrlichkeiten der einstigen LPG-Führungskader ("Rote Barone") und ihrem trickreichen Netzwerk ("Seilschaften") ausgesetzt. Die nämlich haben ihre jeweilige frühere LPG inzwischen in noch größere Agrarunternehmen umgewandelt - meist sogar in gesetzeswidriger Weise. Als vierte Gruppe sind auch sogenannte Neueinrichter hinter dem Land her.

Gegen starke Bataillone in Behörden und Politik

Juristischer Konfliktstoff ist diese "Landvergabe" seit Anbeginn. Immerhin sind die LPG-Nachfolgefirmen eine starke Macht, mit starken Bataillonen in Behörden und Politik. Sie hatten auch den Deutschen Bauernverband (DBV) hinter sich, der ihre ansehnlichen Mitgliedsbeiträge zu schätzen weiß. Die "Roten Barone" haben es sogar fertiggebracht, die Verbilligung von 35 Prozent auch für sich herauszuschlagen - obwohl sie keinen Anspruch auf Wiedergutmachung haben. Die BVVG steht unter dem Druck des Bundesfinanzministeriums: möglichst verkaufen statt verpachten, beides so teuer wie möglich. Alteigentümer und Wiedereinrichter kommen schwer dagegen an, sie werfen ihren Gegnern samt BVVG Willkür und Manipulation vor.

Eine aktuelle Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin richtet sich gegen die BVVG-Geschäftsführer Wolfgang Horstmann und Wilhelm Müller sowie gegen den Generalbevollmächtigten Hans-Joachim Bange. Gestellt hat sie der Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), eingereicht ihr Potsdamer Anwalt Thorsten Purps. Begründet ist sie unter anderem mit dem "Tatverdacht der Veruntreuung in Milliardenhöhe und veruntreuenden Unterschlagung".

Angegriffen wird vor allem der Umgang mit dem Vorzugspreis. Die 50-Prozent-Verbilligung hatte die EU-Kommission als unerlaubte Beihilfe beanstandet. Daher ist sie seit 2000 auf maximal 35 Prozent unterhalb des Verkehrswertes begrenzt. Doch hat die BVVG nach AbL-Angaben etlichen Betrieben Vergünstigungen bis zu 60 Prozent eingeräumt und dabei die regionalen Wertansätze für den Bodenverkauf nach unten gedrückt. Diese von der BVVG festgesetzten Wertansätze, so die AbL, spiegelten die marktüblichen Verkehrswerte in keiner Weise wider. So seien Agrarflächen mit sehr guten Böden zu einem Hektarpreis von 1.700 Euro verkauft worden, obwohl der marktübliche Preis bei 10.000 Euro gelegen habe. Der Bundesrechnungshof hat das Verfahren in einem 21 Seiten langen Prüfbericht von 2005 ebenfalls bemängelt. Doch die BVVG macht weiter wie zuvor.

Auch wirft die AbL der BVVG vor, daß sie beim verbilligten Flächenkauf eine kleine Klientel von Agrarbetrieben begünstigt hat. So ist die Verbilligung daran gebunden, daß der Käufer die Flächen vorher von der BVVG gepachtet haben muß. Aber mit ihrer ungerechten Praxis der Pachtvergabe, lautet der AbL-Vorwurf, habe die BVVG dafür gesorgt, daß nur ein Viertel der Betriebe habe pachten und somit verbilligt kaufen können; drei Viertel hätten keine Gelegenheit dazu erhalten.

Die Bauern und die AbL verlangen, den verbilligten Kauf anhand der BVVG-Wertansätze sofort zu stoppen, die Vergabepraxis zu überprüfen und die ungleiche Behandlung der landwirtschaftlichen Betriebe sofort zu beenden. "Wer politisch den Zerfall der ländlichen Regionen in Ostdeutschland aufhalten will, kommt an einer deutlichen Veränderung der Bodenpolitik und einer gerechteren Flächenvergabe nicht vorbei", so die AbL. Ihr Chef ist übrigens Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf - grüner Europaabgeordneter und Vizepräsident des Agrarausschusses im EU-Parlament.

Die BVVG im Internet: www.bvvg.de 

Die AbL im Internet: www.abl-ev.de 


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