© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Kolumne
Globalismus, Demokratie und Datenschutz
Herbert Ammon

Als Colbert, Finanzminister Ludwigs XIV., zu Grabe getragen wurde, mußte Militär den Leichenzug vor dem steinewerfenden Volk von Paris schützen. Das geschah zu Zeiten jenes Wirtschaftssystems, das der liberale Moralphilosoph Adam Smith als "Merkantilismus" verspottete, und jenes Regimes, das Montesquieu mit "Despotismus" gleichsetzte. In Zeiten der global players, der post-histoire sowie der spezifisch deutschen Gedenkkultur sind historische Reminiszenzen leider angebracht.

Die Szenen aus Heiligendamm erinnern an solch ferne Zeiten. Angela, eine de l'Europe dank Hofintrige gegen den Pfälzer Saumagen, bittet zu Hofe. Die Großen des globalen Empire entbieten die honneurs (ohne Handkuß) und berauschen sich am jüngsten Hosenanzug. Den Hofstaat bilden die Medienfritzen im T-Shirt. Wenn die Mächtigen zusammenkommen, wollen die Untertanen unterhalten sein.

Es tagt, der Grand Conseil, auf Neusprech G8. Es geht um den neoliberalen Weg zum Menschheitsglück: freier Verkehr von Kapital, Gütern, Dienstleistungen, außer wo es ganz ohne Protektionismus nicht geht (China und ähnliches); freier Zugang zu den zentralasiatischen Rohstoffen unter Vermeidung geostrategischer Evidenzen; Sorge um Putins Anfälligkeit für russische Traditionen (Staatsmonopole, Autokratie, Weltmacht) unter Absehung des Tschetschenienkrieges. Was noch so beredet wird (Klima, Iran, Terror, Afrika), erläutern die Großen kurz hinter den Stehpulten. Hier liegt ein Unterschied zu Versailles. Das Cabinet tagte im Boudoir, die Themen gingen das Volk nichts an.

Andererseits wieder starke Parallelen: Ein riesiger Zaun schützt die christliche Demokratin und ihre lupenreinen Freunde, Sarko, Bush und den von ihr (Ex-FDJ-Sekretärin) unlängst gerügten Putin. Dazu das Heer von Uniformierten, Schäuble hätte gern die Bundeswehr eingesetzt. Das globale Protestvolk, teils inspiriert von ökonomisch Unbedarften (Jusos, Jepsen, Jelpke), teils von erprobten Militanten (Müll, Steine, Scherben), probt den Protest (demokratisch erwünscht) sowie den Bürgerkrieg (eher unerwünscht).

Ein irres Spektakel, so kommt das Volk doch noch auf seine Kosten: "Globalisierung mit menschlichem Antlitz". Merkels Sprechblase wird bestätigt im höflichen Anschreiben einer New Yorker Sozietät: "Unser Investoren-Netzwerk und mehrere Venture Capital Firmen sind derzeit auf der Suche nach zum Verkauf stehenden Unternehmen in Deutschland in Ihrer Branche." Wie? Was? In meiner Branche? Wo bleibt der gerühmte deutsche Datenschutz?

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.


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