© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

"Wir werden uns in den Weg stellen"
Linksextremismus: Die Gewaltaten am Rande des G8-Gipfels sind von langer Hand geplant / Erkenntnisse der Behörden
Peter Freitag

Politik und Medien zeigten sich dieser Tage "überrascht" und "erschüttert" über das Ausmaß der Gewalt bei Demonstrationen sogenannter "Globalisierungsgegner" im Vorfeld und zu Beginn des G8-Gipfels von Heiligendamm.

Doch so unvermutet, wie diese Betroffenheit suggeriert, tauchten die mit Steinen und Brandsätzen präparierten Vermummten nicht in Rostock auf. Daß die linken Aktivisten aus dem Umfeld der selbsternannten "Autonomen", die als "Schwarzer Block" den harten Kern der Gewalttäter bei den Demonstrationen stellten, verstärkt würden, war seit langem bekannt - ganz zu schweigen von den entsprechenden Erfahrungen am Rande früherer Gipfeltreffen wie in Seattle, Genua oder Stockholm. Sowohl Politikern als auch Medienvertretern kann eigentlich nicht verborgen geblieben sein, was die Sicherheitsbehörden und inländischen Nachrichtendienste an Informationen diesbezüglich längst veröffentlicht haben.

So heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht, daß bereits seit über einem Jahr die "Mobilisierungsbemühungen" gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm "im Mittelpunkt linksextremistischer Aktivitäten und Diskussionen standen", um dieses Thema "für ihre weitergehenden Ziele in Richtung Systemüberwindung zu nutzen" Dabei blieb es schon vor dem Gipfel nicht bei "Diskussionen", und die "Aktivitäten" waren alles andere als harmlos. Denn für "gewaltbereite Linksextremisten, vor allem aus der Autonomen Szene, sind auch Gesetzesverletzungen, Gewalt gegen den politischen Gegner sowie vielfältige militante Aktionsformen Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele" legitim.

In den Worten der Linksextremisten: "Wir begrenzen unsere Aktivitäten nicht auf die legalisierten und normierten Spielwiesen, unsere politischen Ausdrucksformen wählen wir selbst." Die Gewaltbereitschaft schlage sich in einer hohen Zahl von Gewalttaten nieder. So weist die Statistik des Bundeskriminalamtes für das Jahr 2006 eine Zahl von 2.369 linksextremistisch motivierten Straftaten auf, davon 862 Gewalttaten wie beispielsweise Körperverletzung oder Landfriedensbruch. Außerdem, so warnen die Verfassungsschützer, "überschreiten einzelne autonome Zusammenhänge mit ihren Anschlagsaktivitäten die Grenze zu terroristischem Gewalthandeln."

So sei die im Sommer 2005 initiierte " 'militante Kampagne' gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2006 mit neun Brandanschlägen auf Kraftfahrzeuge und Gebäude in Berlin, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein mit zum Teil erheblichen Sachschäden fortgesetzt" worden.

Auch über die Stärke lagen schon zuvor gesicherte Zahlen vor: Sechstausend gewaltbereite Linksextreme zählte das Bundesamt für Verfassungsschutz im vergangenen Jahr und ergänzte diese Größe mit dem Hinweis: "Das Mobilisierungspotential der 'Szene' umfaßt zusätzlich mehrere tausend Personen." Weder Quantität der Beteiligten noch die "Qualität" der Ausschreitungen in Rostock und Umgebung waren neu; denn, so wissen die Nachrichtendienstler: "Eine typische Form autonomer Gewalt, für einige gar der wichtigste Ausdruck 'militanter Politik', ist die sogenannte Massenmilitanz. Das sind Straßenkrawalle, die sich im Rahmen von Demonstrationen oder im Anschluß daran entwickeln."

Etablierte Linke distanziert sich nicht

Auch daß unter dem Dach der sogenannten "Interventionistischen Linken" Militante bei den Globalisierungskritikern beteiligt waren und sind, blieb den Sicherheitsbehörden nicht verborgen. So heißt es im Bericht des niedersächsischen Verfassungsschutzes, daß schon im März 2006 zur "Vorbereitung von Aktionen gegen den G8-Gipfel 2007 die Interventionistische Linke (IL) eine erste Konferenz in Rostock" initiiert habe, an der "rund 300 Aktivisten, darunter auch Linksextremisten, teilnahmen". Aus dem Bericht geht auch hervor, warum schon früh für den in Deutschland stattfindenden Gipfel mobilisiert wurde; denn das Treffen der G8-Staatschefs in Sankt Petersburg habe sich "aufgrund der restriktiven russischen Einreisebestimmungen und des scharfen Einschreitens der Sicherheitskräfte nicht öffentlichkeitswirksam stören" lassen. Mit anderen Worten: Die gewaltbereiten Linksextremen rechneten bereits im vorhinein mit einer weichen Linie, einer "Deeskalationsstrategie" der deutschen Polizei - und dies war wiederum auch den Sicherheitsdiensten bekannt.

Auch jener Teil der "globalisierungskritischen Aktivisten", der sich jetzt angesichts der gewalttätigen Vorkommnisse - mit schwerverletzten Polizisten und Sachschäden in Millionenhöhe - nach außen zerknirscht gibt, die eigene "Gewaltfreiheit" betont und Krokodilstränen vor Fernsehkameras fließen läßt, ist entweder naiv oder heuchlerisch. Denn auch hier mußte bekannt gewesen sein, wer da als Interventionistische Linke an den Anti-G8-Protesten beteiligt ist. So bekennt diese Gruppe ganz offen, "nicht nur demonstrieren" zu wollen; sondern: "Wir werden uns aktiv den G8 in den Weg stellen" - und dabei solle es "nicht bei rein symbolischen Aktionen bleiben".

Im "Fight G8" betitelten Aufruf macht die IL deutlich, was sie von den übrigen nicht-militanten "Gobalisierungskritikern" hält: "Die Farce dieses Gipfels wird auf der Außenseite des Zaunes auf ein teilweise kaum weniger trauriges Bild treffen. Ein Kessel Buntes aus NGOs, Gewerkschaften, Parteien und Persönlichkeiten wird dort ausharren ...Wir haben kein Interesse an einem Platz am Tisch des Kapitalismus ... Darum interessiert uns in erster Linie eins: wir wollen den Tisch umwerfen." Am Schluß wird noch einmal bekräftigt, was das Ziel ist: "G8 blockieren, auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!"

Dennoch haben etablierte Linke keine Notwendigkeit gesehen, sich ob solcher scharfen Töne von diesen Extremisten zu distanzieren. Im Gegenteil. Als der Staatsschutz Teilnehmer eines Vorbereitungstreffens beobachtete, an dem auch eine zur IL gehörende Antifa-Gruppe aus Göttingen geladen hatte, hagelte es wütende Kritik. Man vermutete dahinter die Absicht der Polizei, "den legitimen und notwendigen Protest gegen den G8-Gipfel einzuschüchtern und zu kriminalisieren", heißt es in einem Schreiben der Gewerkschaft Verdi. Glücklicherweise, so hebt ein Verdi-Funktionär hervor, habe dies jedoch nicht zur Spaltung der globalisierungskritischen Bewegung, eines "Bündnisses aus Gewerkschaften, christlichen Gruppen, Parteien, autonomen Gruppen und vielen anderen", geführt.

Foto: Gewaltätige Linksextremisten am vergangenen Sonnabend in Rostock: Mit einer "weichen Linie" der Polizei gerechnet


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