© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

CD: Metal
Polnisches Leder
Thorsten Thaler

Zu den Mysterien des schwermetallischen Paralleluniversums gehört ganz unzweifelhaft die Dominanz von "Elfen". Ob bei den holländischen Formationen Within Temptation, Epica und After Forever, den Liechtensteiner Elis, den Rheinländern Krypteria, den norwegischen Bands Sirenia und Tristania oder dem finnischen Aushängeschild Nightwish - überall trällern und trillieren elfengleich Goldkehlchen mit mehr oder weniger goldigen Kehlchen. Richtige Rockröhren sucht man auf weiter Flur vergebens - von der Metalkönigin Doro natürlich abgesehen.

Angesichts dieses Befundes freut man sich über jedes Debüt-album einer Band, die mit einer waschechten Rocklady am Mikrofon aufwartet. So wie Anfang vorigen Jahres über die US-Gruppe Benedictum (JF 7/06) mit ihrer Frontfrau Veronica Freeman; so wie im Frühjahr 2006 über deren Landsleute von Hydrogyn mit ihrer Sängerin Julie Westlake; und so wie jetzt über die polnische Band Crystal Viper um Marta Kroczak-Gabriel alias "Leather Wych" am Mikro. Letztere gründete Crystal Viper zusammen mit ihrem Mann, dem Musikproduzenten und Manager Bart Gabriel, bereits 2003 in Kattowitz. Nach einigen Personalwechseln besteht Crystal Viper heute neben Leather Wych aus den Gitarristen Andy Wave (Łukasz Halczuch) und Vicky Vick (Łukasz Targosz), dem Bassisten Tommy Roxx (Tomek Targosz) sowie Schlagzeuger Golem (Tomasz Dańczak).

Erste Meriten verdiente sich das Quintett im vergangenen Jahr mit Coverversionen für verschiedene Tribute-Sampler und Auftritten mit Szenegrößen wie Doro, Hammerfall, Stratovarius und Cradle of Filth. Im November/Dezember 2006 folgten dann die Aufnahmen für das Debüt-Album "The Curse Of Crystal Viper" (Karthago Records/Twilight), das nun seit einigen Wochen vorliegt und bereits erste durchweg positive bis begeisterte Reaktionen erfahren hat. Sehr zu Recht.

Am Anfang steht das gesprochene Wort: When the last axeman past the way came fear. / What will happen with us? / Where will we go? / Our Queen Crystal Viper / She's known the island of the silver skull / No one knows when she will return ... Allein dieses Intro von Gerrit P. Mutz (Sacred Steel) weist den Weg, den Crystal Viper einschlagen: klassischer Metal der alten Schule. Bereits der schnelle Opener "Night Prowler" ruft Erinnerungen wach an seligen Achtziger-Jahre-Metal der Marke Warlock, Stormwitch oder Running Wild, die Gitarrensalven klingen zuweilen nach Iron Maiden. In diesem traditionellem Stil geht es nahtlos Hieb auf Hieb. "Shadows On The Horizon", "City Of The Damned", "The Last Axeman" und "The Fury (Undead)" hauen ordentlich auf die Zwölf. Nur unwesentlich getragener kommen "Island Of The Silver Skull", das geniale "Demons' Dagger" und der finale Rausschmeißer "Sleeping Swords" daher - Einschlafgefahr besteht aber auch hier zu keiner Sekunde.

Dafür sorgt allein schon die Wahnsinnsstimme von Leather Wych. Von den ersten Tönen an weiß sie für sich einzunehmen. Musikalisch aufgewachsen mit Slayer, den Scorpions, White-snake, Iron Maiden, Virgin Steele, Manowar und einigen hierzulande unbekannten polnischen Gruppen - weit entfernt also von allen Metal-Sopranistinnen - beweist die zierliche Lederhexe eine erfrischende Eigenständigkeit. Daß sie zudem noch aussieht, wie ihr Künstlername verheißt, rundet den Eindruck angenehm ab. Crystal Viper sind dank Leather Wych jedenfalls eine starke Neuentdeckung in der Sparte female-fronted metal. Auf die zweite Veröffentlichung darf man fiebrig gespannt sein.


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