31. Evangelischer Kirchentag: Rock-Gottesdienst und Reggae-Gebet
Singen in gerechter Sprache
Curd-Torsten Weick

Sind die Wise Guys auch da? Weiß das jemand?" fragt Steffi im Gästebuch des Kirchentages. Es klingt verzweifelt. Ähnlich verzweifelt mochten die Macher des 31. Evangelischen Kirchentages in Köln gewesen sein, als ihnen klar wurde, daß just parallel zum Kirchentag der G8-Gipfel in Heiligendamm tagt. Alle Kameras und Mikrofone sind gen Ostsee gerichtet. Wer blickt dann noch an den Rhein? Nun hieß es frisch voran. Zähne zeigen. Flugs verwandelte man den Ichthys, eins der ältesten Symbole der Christenheit, in einen Hai, nahm ihn als Logo und erklärte kämpferisch: "Lieber Hai als Zierfisch". Fehlte nur noch die passende Losung. Und die war mit "lebendig und kräftig und schärfer" schnell gefunden.

Derart gerüstet springt der Deutsche Evangelische Kirchentag auf den Globalisierungs-Zug und läßt unter dem Motto "The Power of Dignity - Die Macht der Würde" einen "Ruf zum G8-Gipfel" nach Heiligendamm "erschallen". Mit dabei Kirchentagspräsident Reinhard Höppner, Susan George von Attac France, Erzbischof Desmond M. Tutu und Bischof Wolfgang Huber. Es geht um die "humane und sinnvolle Gestaltung" der Globalisierung, und eine Live-Schaltung zum Konzert der G8-Kritiker in Rostock ist gelegt.

"Was würden Sie den Teilnehmern des G8-Gipfels in Heiligendamm zurufen?" heißt es dann auch im Kirchentags-Forum. Die Antwort kommt bestimmt: "Verpißt euch nach Hause und ändert euer eigenes Leben, anstatt mit den seit Jahrzehnten gleichen Versprechen das Leben der anderen zu versauen, um euren Profit zu steigern."

Die Zähne sind gen Bush & Co. gezeigt, und so kann sich das Publikum den fünf "tollen Tage in Köln" hingeben. Selbstredend ist bei den rund 3.000 Veranstaltungen für jeden Geschmack etwas dabei. Ob innovatives Papphockertrommeln, rasanter Rolltreppengesang oder ein Türkisch-deutscher Liederabend - für Abwechslung ist gesorgt.

Der Markt der Möglichkeiten wird immer bunter, und der Hai entwickelt sich zurück zum Zierfisch. Ergo übt sich die evangelische Christin im "Offenen Singen in gerechter Sprache". Feiert unter dem Motto "Scharfgestellt!" einen Frauengottesdienst, wandelt auf dem "Europäischen Frauenpilgerweg", besucht den "Clowninnen-Workshop" und das "feministisch-interreligiöse Gespräch". Oder feiert auf dem "Frauenfest" mit dem Frauenkabarett Dornrüttchen.

Doch nicht nur für die Frauen ist gesorgt. Auch die Jugend möchte man nicht nur gen Heilligendamm reisen sehen. Und so offeriert der Kirchentag einen "Rock-Gottesdienst", ein "Reggae-Gebet" und veranstaltet für den Rest-Kölschen Musikgeschmack - passend im multikulturellen englisch-deutsch-türkischen Rahmen - unter dem Motto "Why? Warum? Neden?" einen "Gottesdienst mit Techno-Sound". Eben ein "Gottesdienst im 21. Jahrhundert, jugendgemäß, authentisch mit Theater, Live-Musik, Multimedia und einer guten Message".

Es wird in Köln - spätestens nach Ende des G8-Gipfels - eine ganze Menge los sein. Da sind sich die Veranstalter sicher. Auf Straßen und Plätzen ist ein Rundum-Tagesprogramm geplant - so daß auch der normale katholische, muslimische oder atheistische abendliche "Kölner Flaneur zum begeisterten Kirchentagsbesucher" werden wird.

Und die Wise Guys? Die Kölner A-cappella-Gruppe wird mehr als einmal auftreten. Denn von ihnen stammt der Kirchentagssong "Lebendig und kräftig und schärfer". Die Jungs sind die eigentlichen Stars in Köln. Steffi kann also beruhigt nach Köln reisen.

Foto: Eher Zierfisch als Hai: "Theater, Live-Musik, Multimedia und eine gute Message"