© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Bestes Politmarketing
G8-Gipfel: Den Staatsführern ging es um Selbstdarstellung, nicht um Inhalte
Michael Wiesberg

Ein "Riesenerfolg" für Bundeskanzlerin Angela Merkel soll der G8-Gipfel in Heiligendamm gewesen sein; so zumindest kolportierten es deutsche Medien. Die Kanzlerin bemühte sich denn auch, ihren angeblichen Erfolg entsprechend zu "kommunizieren". Am Donnerstag letzter Woche erklärte sie mit Blick auf das Thema Klimapolitik, daß eine "politische Erklärung" erreicht werden konnte, der sich niemand mehr entziehen könne. Diese Erklärung sei "die wichtigste Entscheidung für die nächsten zwei Jahre". In der Tat schienen die Worte von US-Präsident George W. Bush, der als einer der größten Bremser in der Klimapolitik gilt, Merkels Worte zu unterstreichen. Er sprach davon, daß die USA "in einem Post-Kyoto-Rahmen aktiv beteiligt", "wenn nicht führend" sein werden.

Das klingt gut, entpuppt sich bei näherem Hinsehen allerdings als bloße Rhetorik. Das, was in Heiligendamm als "Erklärung" verabschiedet wurde, ist nicht mehr als heiße Luft; nach irgendwelchen verbindlichen Verpflichtungen wird man vergebens fahnden. Selbst die immer wieder bemühte Formulierung, daß die G8-Staaten eine Reduzierung der Treib-hausgase um mindestens die Hälfte "ernsthaft in Betracht ziehen" wollen, ist nicht mehr als eine schöne Phrase, die alles und nichts bedeuten kann. Einzig faßbar ist die Ankündigung, daß der UN-Klimaprozeß fortgesetzt und ein Post-Kyoto-Abkommen erreicht werden soll, das alle großen Produzenten von Treibhausgasen umfassen soll. Das also ist bei der Lichte betrachtet die Substanz des "Riesenerfolges" von Angela Merkel.

Wie die Machtverhältnisse wirklich aussehen, zeigen die vielen Streichungen, die die US-Regierung laut Medienberichten im Abschlußdokument des Gipfels durchgesetzt hat. Sie bezweckten, daß ein Dokument zustande kommt, das die US-Regierung zu nichts verpflichtet. Die verbalen Zugeständnisse, die Bush hier und da gemacht hat, kosten ihn nichts.

Wenn hier von einem Erfolg die Rede ist, dann kann höchstens die PR-Abteilung des Kanzleramtes gemeint sein, die es in der Tat geschafft hat, die Medien zu genehmen Schlagzeilen wie "Merkel bleibt hart" oder "Merkel tritt Bush entgegen" zu animieren. Das war bestes Politmarketing. Spötter reden deshalb nicht zu Unrecht bereits von "Scheinheiligendamm".

Mit Sicherheit dürfte sich die Kanzlerin bereits im Vorfeld darüber im klaren gewesen sein, daß sie mit ihrer Klima-Initiative nicht durchdringen wird. So nutzte sie den Gipfel, wenn man so will, für eine Art "Image-Korrektur". Durch ihr Auftreten gegenüber Bush wurde der Eindruck, Merkel sei eine bedingungslose "Atlantikerin", zumindest ein wenig relativiert. Und daß sie ein Umweltthema auf die Agenda des Gipfels gesetzt hat, wird Kritikern, die ihr mangelndes umweltpolitisches Engagement vorwerfen, vorerst den Boden entziehen. Punkten konnte sie auch außenpolitisch, weil es ihr gelang, den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und den britischen Premier Tony Blair zu bewegen, in der Klimapolitik Druck auf Bush auszuüben. Ob damit aber das "europäische Gewicht" gegenüber den USA gestärkt werden konnte, wie hier und da geraunt wurde, wird sich zeigen.

Daß dieser Gipfel als Gipfel in die Geschichte eingehen wird, in dem relevante politische Fragen wie zum Beispiel der Irak-Krieg, die Kontroversen um den Iran und der Nahostkonflikt weitgehend ausgeklammert wurden, dafür sorgte auch der russische Präsident Wladimir Putin, der den Gipfel als Resonanzboden für einen diplomatischen Schachzug nutzte, als er US-Präsident Bush vorschlug, ein Raketenabwehrsystem in Aserbaidschan gemeinsam mit den USA zu nutzen. Die USA könnten dann auf die geplante Stationierung eines Raketenabwehrschildes in der Tschechischen Republik und in Polen verzichten, regte Putin an. Bush wurde von diesem Vorstoß kalt erwischt und äußerte sich zunächst ausweichend. Ende letzter Woche aber machte er klar, daß er an seinen Plänen festhalten wolle. Eine andere Auskunft wäre auch kaum in Frage gekommen, dürfte es Bush und die Seinen doch kaum um die Sicherheit Europas vor möglichen Raketenangriffen aus "Schurkenstaaten" gehen, womit mehr oder weniger unausgesprochen der Iran gemeint ist. Von Interesse ist wohl in erster Linie die mit dem Raketenabwehrsystem verbundene Radartechnologie, die, stationiert in Tschechien und Polen, auch für den russischen Raum zu Aufklärungszwecken genutzt werden dürfte. Ebendies dürfte auch der Grund für Putins massiven Widerstand gegen die Pläne Bushs sein. Daß eine derartige Anlage in Aserbaidschan den Russen entsprechende Aufklärungsmöglichkeiten bis weit in den arabischen Raum hinein eröffnen würde, sei hier nur am Rande vermerkt.

Ähnlich dürftig wie die Ergebnisse zur Klimapolitik fielen die Beratungen über die Forderung nach einer staatlichen Aufsicht über die hochspekulativen Hedge-Fonds aus. Hier blockierten die USA zusammen mit Großbritannien jeden Fortschritt, die sogar verhinderten, über einen freiwilligen Verhaltenskodex zu verhandeln. Wohl nur ein Randthema blieben auch die wachsenden Spannungen in Rohstof-fragen aufgrund des Aufstiegs neuer Wirtschaftsmächte wie China oder Indien. Dies vervollständigt das Bild eines Gipfels, bei dem es allen Beteiligten vor allem darum ging, Politikmarketing in eigener Sache zu betreiben.


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