© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Dresden blamiert sich
Unesco-Entscheid über Kulturerbetitel steht bevor
Paul Leonhard

Der Unesco-Weltkulturerbetitel für die Elblandschaft in Dresden ist weiterhin stark gefährdet. Schuld ist das Regierungspräsidium, das jetzt den Bau der umstrittenen Waldschlößchenbrücke angeordnet hat. Und zwar in jener Form, wie sie die Unesco ausdrücklich ablehnt. Damit sind die Bemühungen der Stadt gescheitert, einen Kompromiß zu finden.

Die Stadtverwaltung hatte vor zwei Wochen der Bevölkerung noch einmal neue Brückenentwürfe namhafter Architekten vorgestellt und der Stadtrat in zwei Sondersitzungen zwei Varianten ausgewählt, die der Unesco präsentiert werden sollten. Parallel dazu hatten auf einer Baukultur-Konferenz in Dresden mehrere für die Unesco tätige Gutachter signalisiert, daß sie eine Brücke über die Elbe an der umstrittenen Stelle für grundsätzlich möglich halten. "Aber nicht die beim Bürgerentscheid ausgewählte", sagte beispielsweise Architektin Ilse Friedrich, die das Dresdner Elbtal für die Unesco bewertet hatte.

Während sich Stadt und Unesco allem Anschein nach vorsichtig einander annähern, um beiden Seiten die mit dem Titelverlust verbundene Blamage zu ersparen, bleibt das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde auf Konfrontationskurs. Es forderte die Stadt auf, bis Anfang dieser Woche die Bauaufträge zu vergeben. Nur so könne dem Bürgerentscheid von 2005 zugunsten der Brücke, dessen Bindefrist Anfang 2008 ausläuft, endlich Geltung verschafft werden, hieß es in der Begründung. Der vom Stadtrat beschlossene Alternativentwurf wurde abgelehnt. Zuvor hatten bereits das Sächsische Verfassungsgericht und das Oberverwaltungsgericht für die Umsetzung des Bürgervotums entschieden (JF berichtete). Auch war die Stadt mit ihrem Versuch gescheitert, die Brücke per Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe noch zu verhindern.

Bund droht mit Entzug der Fördermittel

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) drängt unterdessen auf eine alternative Brückenlösung. Dafür hat er dem Freistaat finanzielle Hilfe zugesichert. Sollte die sächsischen Staatsregierung allerdings auf ihrer bisherigen Position beharren und Dresden den Unesco-Titel verlieren, bestehe das Risiko, daß die bisher zugesagten Fördermittel für den Brückenbau vom Bund nicht gezahlt werden können. Die Rede ist von einer "zweckwidrigen Verwendung von Bundesgeldern". Es beständen "erhebliche Zweifel, ob der Bund zulassen kann, daß die Waldschlößchenbrücke in der vom Bundeshaushalt abgelehnten Form mit Mitteln finanziert wird, die aus dem Bundeshaushalt stammen".

Aufgrund seiner völkerrechtlichen Pflichten kann der Bund kaum ein Projekt fördern, das die Unesco ablehnt. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sieht dagegen keine völkerrechtlichen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang. Die Bundesregierung hatte nach Angaben des sächsischen Wirtschaftsministeriums 72 Millionen Euro zugesagt. Insgesamt soll die Waldschlößchenbrücke knapp 157 Millionen Euro kosten.

Nicht nur Tiefensee glaubt, daß dank der starrköpfigen Haltung des Dresdner Regierungspräsidiums und auch Milbradts Deutschlands Glaubwürdigkeit gegenüber der Unesco auf dem Spiel steht. Wenn Dresden der Titel aberkannt werde, habe keine andere deutsche Stadt oder Region auf absehbare Zeit die Chance, den Weltkulturerbetitel zu erhalten, befürchtet auch Gottfried Kiesow, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Zur Zeit steht Dresden auf der Roten Liste bedrohter Welterbestätten.

Ende Juni will die Unesco auf ihrer Weltkulturerbe-Tagung im neuseeländischen Christchurch entscheiden, was aus dem Dresdner Titel wird.


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