© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

"Unsere Zeit ist krank geworden am Menschen"
Christliche Elite formen: Zur Erinnerung an Franz Mahr, einen Seelsorger aus dem Geist der katholischen Jugendbewegung
Manfred Müller

Jugendlichkeit strahlte er noch im hohen Alter aus: Franz Mahr, ein charismatischer Jugendführer und Jugendseelsorger, der unzähligen jungen Menschen zum "Aufbruch ins Leben" geholfen und ihnen die "Stufen ins Licht" gewiesen hat (so die Titel erfolgreicher Bücher dieses Priesters). Vor hundert Jahren, am 31. Mai, wurde Mahr in Schweinfurt geboren.

Den Gymnasiasten Mahr faszinierte der katholische Jugendbund Neudeutschland (ND), dessen Schweinfurter Gruppe er von 1923 bis 1926 in einer Zeit führte, als sich der Lebensstil der deutschen Jugendbewegung in diesem Bund voll durchsetzte. Schärfster Konkurrent der ND-Gruppe am Schweinfurter Gymnasium war der völkisch orientierte Jungnationale Bund. 1925/26 war Mahr zugleich Gauleiter des ND-Frankengaues. Wie zahlreiche seiner Bundesbrüder wurde Mahr Priester (1931 Priesterweihe, 1932 Promotion). Er wirkte dann als Religionslehrer und Pfarrgeistlicher, die fränkischen NDler betreute er als Gruppen- und Gaukaplan.

Mahr stand für einen weltoffenen, kulturbejahenden Katholizismus. Vom Nationalsozialismus grenzte er sich ab, indem er - aus tiefer Liebe zu Deutschland - all das positiv ansprach, war damals in breitesten Kreisen (weit über den NS-Sektor hinaus) an nationalen Werten bejaht wurde.

Zugleich deutete er dabei aber das Krankhaft-Gefährliche der NS-Ideologie an. 1939 schrieb er in "Aufbruch ins Leben": "Unsere Zeit ist krank geworden am Menschen. So gilt es, neue Menschen zu schaffen, reife reine, heldische Menschen, die den ganzen Reichtum deutschen Wesens in sich tragen und in sich hinaustragen in unser Volk." Wenn Mahr als Gegentypus den "bolschewistischen Menschen" herausstellte, verstanden Kundige dies durchaus als Anspielung auf entsprechende Negativtendenzen im NS-System. Die Gestapo beobachtete und verhörte ihn, entzog ihm 1942 die Erlaubnis zum Religionsunterricht.

Dem nach 1945 wiedererstandenen Bund Neudeutschland gab Mahr wichtige Impulse; von 1951 bis 1959 war er Geistlicher Bundesleiter der ND-Jungengemeinschaft. Das Erbe der Jugendbewegung sollte nach Mahrs Auffassung zeitgerecht umgesetzt werden. Die negative Sogwirkung des kulturellen Amerikanismus war ihm durchaus bewußt, wenn er den jungen Menschen "Konsumaskese" gegen die Maßlosigkeit der Konsum- und Vergnügungsindustrie empfahl und ihnen zahlreiche Anregungen für einen einfachen, natürlichen Lebensstil gab.

Dabei blieb Mahr ein lebensfroher Mensch. Er zeichnete und komponierte und schätzte - bei aller Bejahung der modernen Technik - das handwerkliche Tun. Es kam ihm immer darauf an, die "urtümlichen Kräfte des Menschen zu wecken". Sein Streben galt letztlich immer der Formung einer christlichen Elite.

Als der Monsignore und Geistliche Rat Franz Mahr am 8. November 2000 starb, verlor die katholische Kirche einen Priester, der sich über die Jugendseelsorge hinaus auch als Familien- und Kurseelsorger große Verdienste erworben hatte.


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