© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Kolumne
Weltpolitische Kräfteverschiebungen
Klaus Hornung

Der G8-Gipfel von Heiligendamm hat viel Kritik gefunden: zu aufwendig und zu weit entfernt von den Menschen und ihren Realitäten, zu sehr auf die reichen Industriestaaten begrenzt, zu wenig entschlossen in der globalen Klimapolitik, zu knauserig gegenüber Afrika usw.

Doch bei aller Kritik wird das wohl Wichtigste dieses "Gipfels" leicht übersehen, hat er doch deutliche weltpolitische Kräfteverschiebungen signalisiert. Erstmals haben an ihm, wenn auch noch als Gäste, die Repräsentanten der sogenannten "Schwellenländer" - China, Indien, Brasilien - und Afrikas teilgenommen. Die ersteren sind in einem rasanten Tempo dabei, zu den G8-Staaten aufzuschließen. Und nicht zuletzt ist der vergessene Schwarze Kontinent ins weltpolitische Rampenlicht getreten, weil die aufsteigende ostasiatische Weltmacht ganz ungeniert begonnen hat, ihre machtpolitische Projektion auf diesen Raum zu werfen: Industrielle Aufbauhilfe gegen Öl- und andere Rohstoffbezüge, vor allem entlang der geopolitisch naheliegenden Ostküste des Kontinents vom Sudan bis Mosambik und Südafrika. In diesem sich abzeichnenden Kampf um Ressourcen und Macht zwischen China und dem alten Europa wird das letztere sich warm anziehen müssen, hat doch der Westen, Europa und USA, zwischen 1960 und heute rund tausend Milliarden Dollar Entwicklungshilfe in Afrika korrupten Eliten in den Rachen geworfen.

Der begonnene Konkurrenzkampf mit China um Afrika wird zu einschneidenden Korrekturen an der bisherigen Entwicklungspolitik des Westens führen müssen, vor allem, um sie durch rigorose Kontrolle der Finanzmittel wirksamer zu machen.

Und: Rußland kehrt als Akteur auf die Bühne der Weltwirtschaft und Weltpolitik zurück, nicht nur durch seine Energiequellen wird es vor allem Europa unentbehrlich, sondern ebenso als Bundesgenosse gegen den islamistischen Expansionismus. Da wird der Westen manche liebgewordenen ideologischen Präferenzen und Vorurteile korrigieren müssen zugunsten nüchterner Realpolitik. Warum hätschelt die EU zum Beispiel drei islamistische Staaten, Bosnien-Herzegowina, Albanien und Kosovo, auf europäischen Boden? Die künftige Weltkonstellation der Kräfte wird Zug um Zug wieder multipolar. Die Zeiten des Schwärmens darüber, daß wir nur noch "von Freunden umzingelt" seien und uns entsprechende Bequemlichkeiten leisten können, gehen rascher zu Ende, als vielen lieb sein mag. Es würde ohnedies bald lebensgefährlich.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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