© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Vor dem finanziellen Abgrund
Frankreich: Die Polarisierung zwischen der bürgerlichen UMP und den Sozialisten hat Rechte wie Linke in Geldschwierigkeiten gebracht
Alain de Benoist

Alle diejenigen, die glauben, daß der Front National als Verteidiger patriotischer Werte seinen Platz in Frankreich behalten muß, fordere ich auf, sich großzügig an unserer landesweiten Spendenaktion zu beteiligen!" Bereits am Abend der ersten Parlamentswahlrunde am 10. Juni appellierte Jean-Marie Le Pen an die Freigebigkeit der Franzosen. Die jüngsten Wahlkämpfe, die nach Le Pens eigenen Worten mit einem "Desaster" endeten, haben nicht nur den FN finanziell gebeutelt. Freilich haben die Schulden der Rechtspartei eine beeindruckende Höhe erreicht.

Die französische Gesetzgebung sieht eine Wahlkampfkostenrückerstattung für diejenigen Kandidaten vor, deren Abrechnungen von der Nationalen Kommission für die Abrechnung von Wahlkampfkosten und Parteienfinanzierung (CCFP) gebilligt werden - allerdings unter dem Vorbehalt eines Wahlergebnisses von mindestens fünf Prozent im Wahlkreis. Diese sehr hoch gesetzte Hürde zu überwinden, gelingt nur wenigen FN-Kandidaten. In die Stichwahl am 17. Juni schaffte es einzig Marine Le Pen, die mit 42 Prozent einem Sozialisten unterlag (JF 26/07). Das Ergebnis sind acht Millionen Euro Schulden. Rechnen kann der FN jedoch nur mit staatlichen Fördermitteln in Höhe von 1,8 Millionen Euro und Mitgliedsbeiträgen von 1,5 Millionen Euro.

FN-Wochenzeitung "National Hebdo" droht das Aus

Da es sehr unwahrscheinlich ist, daß der fehlende Betrag bei der Spendenaktion zusammenkommt, steht die Partei vor schwierigen Entscheidungen. Jean-Marie Le Pen, seit jeher ein Freund aus der Schiffahrt entlehnter Metaphern, spricht bereits davon, die "Segel zu reffen". Entlassungen im "Paquebot" (zu deutsch Dampfer) sind wahrscheinlich, spekuliert wird sogar über einen Verkauf der Parteizentrale, wo etwa hundert feste Mitarbeiter beschäftigt sind. Auch der FN-Wochenzeitung National Hebdo, deren Auflagenzahl noch nie sehr hoch war, droht das Aus.

Für die Kommunistische Partei (PCF) sieht die Lage kaum besser aus. 1969 gewann sie bei den Präsidentschaftswahlen über zwanzig Prozent der Stimmen und wurde zudem insgeheim von der Sowjetunion mitfinanziert, so daß sie keinerlei Existenzängste kannte. Dieses Jahr brachte Generalsekretärin Marie-George Buffet es als PCF-Präsidentschaftskandidatin nicht einmal auf zwei Prozent, und auch bei den Parlamentswahlen reichte es nur für landesweit 4,3 Prozent. Buffets Wahlkampf kostete 4,6 Millionen Euro (5,5 Millionen, wenn man die Ausgaben der Ortsverbände hinzurechnet), von denen der Staat lediglich 800.000 Euro erstattet. So zieht der politische Niedergang automatisch eine Finanzkrise nach sich.

Das Jahresbudget der PC liegt derzeit bei dreizehn Millionen Euro (33 Millionen unter Berücksichtigung der Einzelhaushalte der Ortsverbände). Offiziell finanziert sich die Partei aus vier verschiedenen Quellen: Mitgliedsbeiträge, Spenden, Diäten der Abgeordneten (sämtliche Diäten der gewählten Vertreter der PC fließen in die Parteikasse, aus der die Abgeordneten wiederum die Mittel für ihre politische Betätigung beziehen) und staatliche Fördermittel.

Jedoch betragen die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen nur etwa sechs Millionen Euro (ein Prozent des Monatseinkommens der Parteimitglieder), während sie vor zehn Jahren noch bei fünfzehn Millionen Euro lagen. Der letzte landesweite Spendenaufruf brachte der Partei 2006 gerade einmal 530.000 Euro ein (gegenüber acht Millionen 1997). Aufgrund ihrer jüngsten Wahlschlappen stehen ihr nur mehr 1,8 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln zu, und auch die Zahl der Abgeordneten hat sich in der neuen Legislaturperiode von 21 auf 15 verringert. Zu deren Diäten kommen noch die einer Fraktion zustehenden Finanzmittel, die sich die Kommunisten freilich mit den vier Grünen und den sieben Linken (PRG) teilen müssen. Mit ihnen hat man wegen der Hürde von zwanzig Mandaten eine "technische Fraktionsgemeinschaft" im Parlament gebildet.

PCF-Schatzmeister Jean-Louis Frostin hat Medienberichte dementiert, die Partei wolle ihre Pariser Zentrale veräußern, die 1971 nach Plänen des kommunistischen brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer gebaut und im vergangenen März unter Denkmalschutz gestellt wurde. Ebenso streitet er ab, sich von dem künstlerischen Erbe der PC (Werke von Pablo Picasso, Marcel Duchamp, Fernand Léger etc.) trennen zu wollen. "Unsere Lage ist nicht katastrophal", ließ er verlauten, "aber sie ist sehr angespannt."

Staatliche Förderung ist wichtigste Einnahmenquelle

Einsparungen sind dennoch unumgänglich. Die PCF hat bereits 2004 ihr Ausbildungszentrum und im Januar dieses Jahres eine Pariser Immobilie am Boulevard Blanqui verkauft. Neben der Sonderspendenaktion, zu der auch sie aufrufen will, plant sie die Vermietung von zwei der sechs Stockwerke ihres Parteisitzes sowie Personaleinsparungen unter den 55 dort beschäftigten ständigen Mitarbeitern. Die seit Jahren rote Zahlen schreibende und auf eine Auflage von etwa 50.000 abgesackte einstige Parteizeitung L'Humanité, an der die PCF noch mit 40 Prozent beteiligt ist, könnte sich durchaus zur Veräußerung ihres auf etwa 15 Millionen Euro geschätzten Redaktionssitzes im Arbeitervorort Saint-Denis genötigt sehen, ebenfalls ein Niemeyer-Bauwerk.

Ein Gesetz zur Parteienfinanzierung gibt es in Frankreich erst seit 1988. Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte ist es schrittweise in Kraft getreten. Die staatliche Förderung der politischen Parteien ist abhängig von ihren Ergebnissen bei den Parlamentswahlen und von der Anzahl ihrer Abgeordneten. Die heutige Gesetzgebung sieht vor, daß die Parteien pro Jahr 1,60 Euro für jede Stimme erhalten, die bei den letzten Parlamentswahlen für sie abgegeben wurde, sofern sie mindestens fünfzig Kandidaten aufstellte und in mindestens dreißig Wahlkreisen über ein Prozent kam. Partei­spenden von Wirtschaftskonzernen sind seit 1995 verboten. Spenden von Einzelpersonen können zu 66 Prozent von der Steuer abgeschrieben werden. Für eine Mißachtung des Paritätsprinzips zwischen Männern und Frauen bei der Aufstellung von Kandidaten wird seit 2000 proportional zu der numerischen Differenz zwischen männlichen und weiblichen Kandidaten eine Geldstrafe verhängt.

Die Gesamtsumme öffentlicher Zuwendungen an die Parteien stieg 2004 auf 73,2 Millionen Euro (davon 33 Millionen für die bürgerliche Regierungspartei UMP, 19 Millionen für die Sozialisten, 4,5 Millionen für den FN und 3,7 Millionen für die PCF). 

Nicht zuletzt die Explosion der Marketing- und Werbekosten läßt die Ausgaben der Parteien in die Höhe schnellen. Die staatliche Förderung ist inzwischen ihre wichtigste Einnahmenquelle. Zumindest theoretisch gehören "Bimbesaffären" und undurchsichtige Geschäfte der Vergangenheit an - mit dem Ergebnis, daß Parteien ohne parlamentarische Vertretung große Schwierigkeit haben, sich unabhängig zu finanzieren. Der ehemalige sozialistische Präsident François Mitterrand sprach einst davon, daß das Geld alles korrumpiere. Die Geschichte der unlauteren Beziehungen zwischen Geld und Politik ist noch längst nicht zu Ende.

Foto: FN-Chef Le Pen: Hat landesweite Spendenaktion gestartet, Kommunisten müssen Immobilen verkaufen


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