© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
HNWI
Karl Heinzen

High-Net-Worth-Individuals" (HNWI) sind Menschen, deren Netto-Finanzvermögen, Liegenschaftsbesitz also nicht eingerechnet, eine Million US-Dollar übersteigt. Ihr Wohlergehen ist der Untersuchungsgegenstand des alljährlich erscheinenden "World Wealth Report", für den die Beratungsfirma Capgemini und der Finanzdienstleister Merrill Lynch verantwortlich zeichnen. Ihr soeben veröffentlichtes Resümee für das Jahr 2006 ist durch und durch optimistisch: Zum einen ist die Zahl der HNWI um 14 Prozent gestiegen - von 8,3 auf 9,5 Millionen Menschen weltweit. Auch das Vermögen, das sie ihr eigen nennen, weist eine zweistellige Zuwachsrate auf - es beläuft sich nunmehr auf insgesamt 37,2 Billionen Dollar.

Befürchtungen, dies alles könnte nur darauf zurückzuführen sein, daß es halt ein paar mehr vergleichsweise arme Schlucker gibt, die jetzt so gerade eben in den Kreis der HNWI aufgestiegen sind, werden dadurch entkräftet, daß auch die Anzahl der besonders wohlhabenden Wohlhabenden 2006 um über 11 Prozent gestiegen ist: 94.970 Menschen gibt es heute auf unserem Globus, deren Vermögen sich auf mehr als 30 Millionen Dollar beläuft.

Erfreulich ist, daß der Wohlstand der Reichen und Superreichen nicht nur in den klassischen Industriestaaten wächst. Die Zahl der HNWI ist ausgerechnet in Afrika am stärksten gestiegen. Die positiven Signale für mehr Entwicklung, die der G8-Gipfel in Richtung dieses Kontinents gesendet hat, könnten somit tatsächlich auf fruchtbaren Boden fallen.

Die größte Dynamik entfalten auch auf diesem Gebiet die Schwellenländer, allen voran Indien mit einer HNWI-Zuwachsrate von über 20 Prozent. China hingegen rangiert mit mageren 7,8 Prozent unter ferner liefen, ein besorgniserregender Wert, der die Frage aufwirft, ob ein Land, das immer noch so wenig Nachdruck auf eine Steigerung der Ungleichheit zu legen scheint, auf Dauer wirklich mit einem stabilen Wachstum rechnen darf.

Im Vergleich der großen Weltregionen schneidet Europa, auch dies verwundert nicht, am schlechtesten ab - ganz gleich, welches Kriterium herangezogen wird. Selbst hier scheint also die globale Konkurrenz dem alten Kontinent den Rang abzulaufen. Ein schwacher Trost ist, daß Risikoscheu und Saturierung Phänomene sind, die unter Reichen wohl weltweit zu beobachten sind: Sie investieren eigentlich fast überall lieber in Immobilien als in Produktivvermögen. Daraus läßt sich jedoch keine stille Neigung zum Feudalismus ableiten, sondern eher ein Mangel an Unternehmergeist.


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