© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Kompliziert, streitanfällig und sehr teuer
Erbschaftsteuer: Die Neuregelung wird ein komplizierter Kompromiß aus sachlichen Zwängen und politischen Wünschen
Klaus Peter Krause

Es ist absehbar, daß ein neues Erbschaftsteuergesetz sehr kompliziert, sehr streitanfällig und die Erhebung dieser Steuer sehr teuer sein wird. Das einzig Sinnvolle ist, auf die Erbschaftsteuer komplett zu verzichten." Das forderte vorige Woche der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, anläßlich des Arbeitsbeginns der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Erbschaftsteuer.

Doch bei dieser Steuer, deren Einnahmen den Bundesländern zufließen, muß man derweil mit allem rechnen - nur nicht mit ihrer Abschaffung (JF 15/07). Die versprochene Befreiung der Unternehmen von dieser Steuer ist fraglich geworden. Die ursprüngliche Beteuerung, die Neuregelung falle aufkommensneutral aus, ist auch schon brüchig. Ob das "normale Familienvermögen" beim Übergang auf den überlebenden Ehegatten und die Kinder wirklich steuerfrei bleibt, steht ebenfalls in den Sternen.

Die Union ist in diesen drei Positionen schon weich geworden, die SPD würde mit der Erbschaftsteuer ohnehin lieber kräftiger zulangen als bisher. Die Neuregelung ist dafür eine gute Gelegenheit. Dabei hatten sich die beiden großen Parteien schon während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder darauf verständigt, die Familienunternehmen von der Erbschaftsteuer zu verschonen, allerdings unter der Bedingung, daß die Erben die Firmen mindestens zehn Jahre lang weiterführen. Bis dahin sollte der Steuerbetrag gestundet und Jahr für Jahr um zehn Prozent erlassen werden. Am 25. Mai 2007 ließen beide Parteien im Bundestag einen Entschließungsantrag verabschieden, der den schrittweisen Steuererlaß (Abschmelzregelung) abermals bekräftigt.

Dieser Antrag befaßt sich außerdem mit einer Neuregelung für Private. Sie sieht vor, daß kleine ("normale") Erbschaften für den überlebenden Ehegatten und die Kinder "weitgehend" steuerfrei bleiben sollen. Solche Erbschaften, so wird versichert, schlössen auch das privat genutzte Wohneigentum (Ein-Familien-Haus, Eigentumswohnung) ein. Aber was heißt klein, normal und weitgehend? Auch ist im Antrag vorgesehen, die Neuregelung der Erbschaftsteuer solle "mindestens das gegenwärtige Steueraufkommen der Länder sicherstellen" - denn die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer stehen den Ländern zu. Aber die Formulierung "mindestens" deutet bereits an, daß man das Aufkommen womöglich zu vergrößern trachtet und daß die Steuerbelastung dann steigt, statt daß sie gleichbleibt oder gar sinkt. Zwar hat Hans-Jürgen Papier, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), beim Steuerberaterkongreß in Dresden betont, das Urteil des Gerichts dürfe nicht als "Steuererhöhungsentscheidung" mißverstanden werden. Aber das wird für Politiker kein Hindernis sein.

Notwendig gemacht hat eine Neuregelung ein am 31. Januar 2007 veröffentlichtes BVerfG-Urteil (JF 7/07). Es erklärt die für die verschiedenen Vermögensarten ungleichen Bewertungsregeln bei der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig. Unternehmens- und Immobilienvermögen dürfen nicht länger niedriger bewertet werden als Geld- und Wertpapiervermögen. Damit ist vorgegeben, die Vermögensarten bei der Bewertung gleich zu behandeln.

Das läuft darauf hinaus, im Erbfall für alle Vermögen den Verkehrswert zugrunde zu legen. Damit würde die Steuerbelastung beim Vererben von Agrar- und Forstland und von Haus- und Grundvermögen erheblich steigen, falls nicht zugleich die Freibeträge erhöht und die Steuersätze gesenkt würden. Hier nämlich läßt das Urteil eine Differenzierung zu; gleiche Regeln verlangt es nur für die Bewertung. Dienen Vermögensarten dem "Gemeinwohl", dürfen sie beim Vererben durchaus mit niedrigeren Sätzen besteuert und mit höheren Freibeträgen versehen werden.

Ob und wie politisch darüber befunden wird, kann man sich nur als "nicht sachdienlich" ausmalen, also als verfehlt. Das zeigt sich schon am Vorhaben, den schrittweisen Steuererlaß bei Unternehmensübertragungen auf "produktives" Betriebsvermögen zu beschränken, aber "unproduktives" und Betriebsvermögen im Ausland voll der Besteuerung auszusetzen, wobei "produktiv" wohl als "betriebsnotwendig" verstanden wird. Was daraus an Entlastung herauskommt, wird bei privaten Erblassern zur Zusatzbelastung werden, denn das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer insgesamt soll doch mindestens gleichbleiben. Beziffert wird der Einnahmeausfall durch den schrittweisen Steuererlaß für Unternehmen auf 450 Millionen Euro im Jahr. Um ihn zu kompensieren, sollen aber private Erblasser also entsprechend höher besteuert werden. Gerecht ist das nicht. Zur Kompensation wären alle Steuerzahler heranzuziehen.

Je intensiver die Beratungen und die Suche nach Kompromissen werden, um so klarer wird, welche Schwierigkeiten im Detail bestehen. Dazu zählen die Probleme, wie zwischen produktiv und unproduktiv abzugrenzen ist. Wann sind Unternehmensvermögen betriebsnotwendig und wann nicht? Auch EU-Recht ist zu beachten, wenn Betriebsvermögen (und anderes?) im Inland anders behandelt werden soll als solches im Ausland. Ferner: Wenn Familienunternehmen und "normale" Privatvermögen beim Übergang auf Ehegatten und Kinder steuerfrei bleiben sollen, konzentriert sich die Steuerlast auf mittelgroße Privatvermögen, denn wirklich große Vermögen finden Umgehungswege oder weichen aus ins Ausland. Und allein für die mittelgroße Gruppe soll so ein großer Aufwand bei so kleinem Ertrag getrieben werden? Daß bei ihr die Steuerlast steigt, zeichnet sich ohnehin ab. Denn ihr wird aufgebürdet, was anderen als Entlastung beschert werden soll.


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