© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Pankraz,
das Palmöl und die Klimasünder

Suchet, so werdet ihr finden, besonders wenn ihr Schuldige sucht. Fast täglich werden jetzt neue Verursacher, gar Hauptverursacher, für die "Klimakatastrophe" bzw. den "Treibhauseffekt" namhaft gemacht. Der interessierte Zeitgenosse hat längst die Übersicht verloren und fühlt sich in seiner Vermutung bestätigt, daß niemand etwas Genaues über die Sache weiß, daß die Politiker mit ihren hektischen "Klimaschutz"-Aktivitäten sich nur wichtig machen und beim Publikum auf billigste Weise Pluspunkte sammeln wollen.

Am Anfang hatte man ja geglaubt, es gehe bloß wieder mal gegen die einheimische Industrie, speziell gegen die Autoindustrie mit ihren Luxusmodellen, die angeblich einen geradezu mörderischen CO2-Ausstoß hätten und die Atmosphäre damit aufs unerträglichste belasteten. Inzwischen hat man lernen müssen, daß zum Beispiel die Indonesier und die Brasilianer mit ihren Urwald-Brandrodungen täglich viel mehr CO2 in die Luft pusten als die Europäer mit ihren Autos.

Die Autos wie die meisten anderen modernen Energieproduzenten verbrauchen fossilen Brennstoff und geben damit schädliches CO2 an die Umwelt ab. Brennstoff aus erneuerbarer Biomasse, etwa Palmöl, wäre umweltfreundlicher, doch man braucht zu seiner Erzeugung sehr viel fruchtbares Land. Also verbrennen die Indonesier und die Brasilianer, die ein Riesengeschäft wittern, zunächst einmal ihre schönen Urwälder, um Raum für ölhaltige Palmenplantagen zu gewinnen - mit dem Effekt, daß heute durch Brandrodungen ungeheure Massen von Kohlendioxyd freigesetzt werden.

Und weiter im Chemieunterricht: Methan (CH4) ist ein Treibhausgas, das zwanzig- bis dreißigmal wirkungsvoller ist als Kohlendioxyd. Und durch das gewaltige Anwachsen der Viehherden überall in der Welt (auch und vor allem in der sogenannten "Dritten Welt") nimmt der Ausstoß von Methan dramatisch zu. Denn die vielen Kühe und Schafe rülpsen und lassen noch mehr Gas nach hinten ab, im selben Takt, wie sie fressen, und sie fressen faktisch ununterbrochen, d.h. sie erzeugen ununterbrochen gefährliches Methan.

Und was ist mit dem klimapolitisch scheinbar so harmlosen kleinen Internetnutzer, was ist mit jenen jungen oder alten Menschen wie du und ich, die weder Autos erzeugen noch Wälder abholzen noch Viehherden auf die Weide stellen? Sie, also wir, so lernt der Zeitgenosse, sind ganz besonders verhängnishaltige, ja echt katastrophale Klimabelaster, die eigentlichen Verbrecher. Ein einziger (!) Link von uns im Internet, eine einzige Suchanfrage bei Google oder anderswo erzeugt soviel Treib-hausgas wie etwa eine Glühbirne, die man anderthalb Stunden eingeschaltet läßt.

Je mehr wir herumsurfen, um uns über die neuesten Entwicklungen in der Klimafrage kundig zu machen, desto gründlicher verderben wir das Klima. Es ist wie in der Quantenphysik: Die Erforschung einer Sache verändert diese Sache, und zwar hier zum eindeutig Schlechteren. Das gilt natürlich auch und vor allem für die Politiker mit ihren "Klimagipfeln" und "Klimaprotokollen". Ein Klimagipfel im Stile von G8 Heiligendamm  (wie übrigens auch die "Live-Earth-Konzerte") ist etwa so umweltbelastend wie ein durchschnittlicher Freß- und Rülpstag auf den Viehweiden von mindestens fünfzig süd-amerikanischen Haziendas.

Es gibt natürlich überzeugte Klimaschützer, die nicht nur Reden halten, sondern "Klimaschutz" auch in ihrer eigenen Person glaubhaft und  überzeugend vorzuleben versuchen. "À la bonheur", sagt Pankraz dazu, doch er sagt auch: "Verlorene Liebesmüh". Globale Projekte wie der Versuch, das Weltklima  "positiv" zu beeinflussen, sind nie und nimmer Angelegenheit privater Vorbildgeber, sie sind nicht einmal Angelegenheit mächtiger Staatslenker, trotz der großen organisatorischen Möglichkeiten, über die diese verfügen. Weder politische Macht noch persönliches Vorbild können hier etwas ausrichten.

Beide müssen vor der puren Gewalt der großen Zahl kapitulieren. Das Klimaproblem (wenn es denn eines gibt, das auch nur ansatzweise mit menschlichem Vermögen zu tun hat) ist ein Problem der Quantität, nicht der Qualität. Jeder Mensch, wo und in welcher Position auch immer, ist von Natur aus ein "Klimasünder", belastet den CO2-Haushalt, heizt den Treibhauseffekt an, verändert die Umwelt (siehe Viehherden) auf neuartige, von der Natur so nicht vorgesehene Weise. Seine Klimabilanz ist immer negativ.

Das geht so lange gut, solange es noch nicht allzu viele von dieser bemerkenswerten Spezies auf  Erden gibt. Wenn die Zahl aber einen gewissen kritischen Grenzwert überschreitet, tritt die Krise ein. Und das scheint heute der Fall zu sein. Acht Milliarden Menschen, und jeder mit einer naturgegebenen negativen Klimabilanz, und alle immer noch auf Vermehrung und bequemes, wenigstens erträgliches Überleben aus - das ist eben zuviel für unser "Ökosystem". Die alten Bibelsprüche - "Seid fruchtbar und mehret euch! Macht euch die Erde untertan!" -, sie gelten nicht mehr.

Wer so etwas sagt, hat wohl alle gegen sich. Jeder sucht den Balken im Auge des anderen, nicht beim Homo sapiens insgesamt. Doch an der Prognose ändert das nichts: Die einzig mögliche Beeinflussung des Weltklimas durch den Menschen läge in der quantitativen Rücknahme seiner selbst. Doch dazu wird es aus eigenem Antrieb nicht kommen. Der Natur, der Erde, ist das gleichgültig, ihr Rhythmus folgt ganz anderen Dimensionen, als sich das ein menschlicher Klimagipfel vorstellen kann. Nur für uns Menschen wird es eventuell heiß.

Von der Universität Klagenfurt kam kürzlich ein Forschungsbericht, der offenbar Beruhigung in die aufgeheizte Diskussion bringen sollte. "Erst 25 Prozent der auf Erden vorhandenen Biomasse", so hieß es da, "wird von der Menschheit bisher überhaupt genutzt." Mit anderen Worten: Ein volles Dreiviertel können wir noch verbraten! Schöne Aussichten. Kann aber auch sein, daß die Würstelbrater dabei selber gebraten werden.


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