© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

"Kampf gegen Rechts" als Antwort auf G8-Krawalle
Bundesregierung: Widersprüchliche Angaben zum Vorgehen gegen Linksextremisten / Anfrage des Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche
Leonhard Kramer

Daß der gewaltbereite Linksextremismus in Deutschland mittlerweile eine neue Qualität erreicht hat, ist spätestens seit den Ausschreitungen von Rostock Anfang Juni anläßlich des G8-Gipfels kein Geheimnis mehr. Auch die Serie von Brandanschlägen auf Autos, vor allem in Berlin (JF 29/07), zeigen deutlich, welche Bedrohung von der linksradikalen und sogenannten "autonomen" Szene für die innere Sicherheit in Deutschland ausgeht.

Vor diesem Hintergrund hat der parteilose Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Er wolle wissen, inwieweit die Bundesregierung nach den Gewaltexzessen in Rostock neue Erkenntnisse über das vom Linksextremismus ausgehende Gefährdungspotential habe und wie sie die "Zusammenarbeit deutscher Linksextremisten mit internationalen Linksextremisten" bewerte. Darüber hinaus fragte Nitzsche die Bundesregierung auch, ob es öffentlich geförderte Projekte gebe, die sich in der Bekämpfung des Linksextremismus engagierten, beziehungsweise ob die Förderung oder Einführung solcher Projekte geplant sei.

Die heterogenen Antworten die Nitzsche erhielt, waren überraschend. Auf den ersten Teil der Anfrage antwortete der zuständige Staatssekretär im Bundesinnenministerium August Hanning (parteilos), daß "die Beobachtung des gewalttätigen Linksextremismus bereits jetzt einen hohen Stellenwert" habe. Die im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel gewonnenen Erkenntnisse würden aber derzeit noch ausgewertet.

Ungeachtet dessen prüfe die Bundesregierung jedoch bereits jetzt "Möglichkeiten, die derzeitige Beobachtungspraxis hinsichtlich der autonomen Szene zu intensivieren".

In Anbetracht dieser Einschätzung überraschte die Antwort des Bundesfamilienministeriums. Obwohl sowohl das Innen- als auch das Familienministerium mit Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen von zwei CDU-Ministern geführt werden, gibt es in der Beurteilung des Linksextremismus deutliche Differenzen: Auf die Frage, ob es öffentlich geförderte Projekte gebe, die sich dezidiert mit dem Problem und der Gefahr des Linksextremismus auseinandersetzten, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues (CDU) mit einem knappen "Nein".

Etwas ausführlicher äußerte sich Kues zu der Frage, inwieweit die Bundesregierung die Ausschreibung beziehungsweise Einführung solcher Projekte angesichts des quantitativ und qualitativ gestiegenen Linksextremismus plane: Die Bekämpfung von Extremismus jeglicher Art sei ein "gesamtgesellschaftliches, von allen demokratischen Kräften gemeinsam zu tragendes Vorhaben". Dem trage das beim "Bundesministerium des Innern angesiedelte 'Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt' Rechnung." Allerdings, so das Bundesfamilienministerium, gehe die "Gründung des Bündnisses auch maßgeblich auf die Gefährdung durch den Rechtsextremismus" zurück.

Darüber hinaus würden zusätzliche Maßnahmen ergriffen, wenn "nach Überzeugung der Bundesregierung weitere Anregungen vonnöten sind". Dies sei vor allem "bei der Unterstützung von Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie, die sich explizit gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus richten" der Fall. Durch "die Entwicklung der Programme 'Vielfalt tut gut' und 'Förderung von Beratungsnetzwerken - Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus'" sei die Bundesregierung dem "gerecht geworden", führte Kues abschließend aus.

Nitzsche zeigte sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ob der widersprüchlichen Antworten verwundert: "Offensichtlich weiß das eine Ministerium nicht, was das andere tut." Zum einen werde dem Gefahrenpotential der linksextremen Szene ein hoher Stellenwert eingeräumt und man plane sogar ihre Beobachtung zu intensivieren. Andererseits würden aber keine zivilgesellschaftlichen Maßnahmen ergriffen. Zudem sei es bedenklich, daß die Regierung annehme, sie bekämpfe den Linksextremismus durch die Förderung sogenannter Anti-Rechts-Programme. "Die Demokratie scheint im Umgang mit dem Linksextremismus den Platz eines Zaungastes eingenommen zu haben", sagte Nitzsche.


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