© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Allerorten bevorzugt
Politische Zeichenlehre XXVII: Die Farbe Schwarz
Karlheinz Weissmann

Nach den Demonstrationen der NPD und ihrer Gegner am vergangenen Wochenende gab es in der Berichterstattung mehrfach Hinweise auf einen "Schwarzen Block" der Rechten, dessen Symbolik von dem der Linken fast ununterscheidbar sei. Man kann zur Erklärung natürlich auf die Wanderung politischer Inhalte von links nach rechts zurückgreifen, oder darauf, daß Joschka Fischer nach eigenem Bekenntnis als streetfighter Ernst Jüngers "Der Kampf als inneres Erlebnis" gelesen hat und sich die Extreme sowieso berühren, aber es gibt auch eine selbständige Entwicklung der Farbe Schwarz als Zeichen der revolutionären Linken wie der revolutionären Rechten.

Ein gewisser Vorrang kam dabei sicher der Linken zu, denn in der Pariser Julirevolution von 1830 trennten sich nicht nur die Anhänger der "Roten" von denen der Trikolore; innerhalb der radikalen Fraktion entstand außerdem eine anarchistische Bewegung im genaueren Sinn, die Schwarz zu ihrer Farbe machte. 1848 hat Bakunin schon ganz selbstverständlich eine schwarze Fahne geführt, und auch im Commune-Aufstand von 1871 fanden schwarze Fahnen Verwendung.

Seit den 1880er Jahren organisierten sich in vielen europäischen Staaten und in den USA anarchistische Gruppen, was dann zur sicheren Identifikation dieser Strömung mit der Farbe Schwarz beitrug. Infolge der relativ klaren Zuordnung von Anarchismus und Schwarz kämpften die Truppen Nestor Makhnos nach dem Ersten Weltkrieg für eine unabhängige Ukraine genauso unter schwarzen Fahnen wie die anarchistischen Milizen während des Spanischen Bürgerkriegs.

Trotz des rapiden Bedeutungsverlusts, den der Anarchismus im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts erlitten hat, geriet die schwarze Fahne nicht in Vergessenheit und konnte mit der Studentenrevolte der sechziger Jahre zuerst in den USA und dann weltweit eine Renaissance erleben.

Die Deutungen für das anarchistische Schwarz reichen von der Aufnahme eines traditionellen Protestsymbols über die Behauptung, es handele sich um eine Trauerflagge für die gefallenen Kämpfer der Kommune von 1871, bis zu der These, die schwarze Fahne sei die "Verneinung aller Fahnen" (Howard Ehrlich), also Symbol der Aufhebung jeglicher Form menschlicher Herrschaft.

Daß man den Anarchisten trotz allem kein Monopol auf dieses Symbol zusprechen kann, hängt damit zusammen, daß es seit der Zwischenkriegszeit nationalistische Bewegungen gab, die dieses Zeichen wegen seiner revolutionären Dynamik für sich reklamieren wollten. Dazu gehörten vor allem die italienischen Faschisten, die im Schwarzhemd aufmarschierten und schwarze Fahnen, Wimpel und Standarten trugen.

Über den Ursprung des Schwarzhemds selbst besteht keine Klarheit. Vieles spricht für die Annahme, daß es aus der Uniformierung der arditi, einer Eliteeinheit des italienischen Heeres, hervorging, deren Soldaten sich vielfach Mussolini angeschlossen hatten. Die arditi bevorzugten schwarze Hemden unter ihren Uniformjacken, weil es ihnen ein besonders düsteres Aussehen verlieh. Die früh verbreitete Annahme, das Schwarzhemd sei aus der Bekleidung der Arbeiter der Romagna abgeleitet, hat weniger für sich.

Das Schwarzhemd wurde seit den zwanziger Jahren von vielen kleineren faschistischen Parteien übernommen, die das italienische Muster direkt kopierten. In Deutschland bevorzugte die NSDAP für ihre politischen Uniformen Braun (auch wenn sich die SS mit ihrer schwarzen Montur gerne als "Schwarzes Korps" verstand). Ein Grund dafür mochte sein, daß Schwarz bereits durch konkurrierende nationalrevolutionäre Bewegungen okkupiert war.

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg hatten Nationalisten im Reich aus Protest gegen den Versailler Vertrag schwarze Fahnen aufgezogen, im Laufe der zwanziger Jahre setzte sich dieses Symbol - nicht zuletzt unter dem Einfluß Moeller van den Brucks - in vielen Gruppierungen durch. Die wichtigsten waren die Jugendbünde, die Landvolkbewegung und die "Widerstandsbewegung" des nationalrevolutionären Theoretikers Ernst Niekisch; auch die aus einer Abspaltung der NSDAP hervorgegangene "Schwarze Front" verwendete eine schwarze Fahne.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war diese Emblematik praktisch völlig verschwunden und entstand erst in den neunziger Jahren neu, als auf der äußersten Rechten militante "Kameradschaften" auftraten, die sich für ihre Symbolik aus dem ganzen Fundus nationalistischer Traditionen bedienten und dabei wieder auf die Bedeutung des Schwarzen stießen, das der nationale "Schwarze Block" allerdings in einer besonders modischen Variante - mit Kapuzenpullis, Baseballmützen und schwarz verspiegelten Sonnenbrillen - präsentiert.           

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.


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