© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Im Windschatten des 20. Juli
Das Porträt von Heinrich von Trott zu Solz, dem jüngeren Bruder des Widerstandskämpfers, hat weniger zeithistorisches als biographisches Potential
Burkhart Berthol

Der Widerstand gegen Hitler nimmt nicht nur von Tag zu Tag zu, wie Johannes Groß gesagt hat, sondern bringt auch von Tag zu Tag neue Bücher hervor. Ein weiteres nun ist auf dem Markt. Es beschreibt das Leben eines Mannes, der zur Peripherie dieses Widerstandes zählte: Heinrich von Trott zu Solz, jüngerer Bruder des Adam von Trott zu Solz. Er hat seinen Biographen in Michaela Seul gefunden, die in der goldenen Zeit der alten Bundesrepublik aufgewachsen ist.

Bislang schrieb sie Romane, Krimis und ein originelles Motorrad-Sachbuch. Einen roten Faden durch diese Bücher spannt die Verbindung einer modernen Sicht der Dinge mit bemerkenswert liebenswürdiger Aufgeschlossenheit. Michaela Seuls Helden haben dabei oft höchst verschiedenen Ansichten und biographische Hintergründe - allein eine Vorliebe fürs Motorradfahren verbindet meist ihre unterscheidlichen Charaktäre.

Nun hat sie sich also an den Versuch gewagt, die Lebenserinnerungen des  Heinrich von Trott in Form zu bringen. Das ist ihr im ganzen gelungen. Wir gewinnen das Bild eines unkonventionellen alten Herren, der als Schüler schon das Dritte Reich zu durchschauen glaubte, im Freundeskreis mutig kritisierte, später als Soldat desertierte (Frankreich 1944) und sich in nach 1949 in der jungen Bundesrepublik bestens integrierte. Wir erhalten Einblick in ein Denken, von dem Heinrich von Trott selbst wohl sagen würde, es orientiere sich an Menschlichkeit und klassischer Form. Ausführlich zitiert die Autorin aus Briefen und Tagebüchern. Doch selbst weniger Ausführlichkeit würde ermüden, denn Heinrich von Trotts Gedanken bewegen sich durchaus im Vertrauten: Es ist gewiß verständlich, an die eigene Genialität zu glauben - aber die Mitmenschen verfügen oft über überraschende Kenntnisse und Weisheiten.

Psychologisch interessant ist die Vita eines Mannes, der sich mit zwei großen  Brüdern plagen muß: Adam und Werner von Trott. Der Nachkriegsruhm des einen und die bei Seul beschriebene Egomanie des anderen begleiteten Heinrich über die Jahrzehnte und bedrängten ihn offenbar auch. Für den Leser ist bedauerlich, daß man über seine familiären Erinnerungen seinem Bruder Adam von Trott nicht näherkommt. Dieser, einer der entscheidenden Männer des 20. Juli 1944, hatte bei seinen Überlegungen zum Attentat den kleinen Bruder nicht ins Vertrauen gezogen. 

Wenn auf der einen Seite die Auseinandersetzung einer jungen, bewußt modernen Frau mit einem alten, bewußt konservativen Adligen reizvoll ist und ein sympathisches Licht auf die Offenheit der Autorin wirft, leidet das Buch auf der anderen Seite doch unter dem Zeitgeist unserer Tage. Wo es um die Schilderung der Erfahrungen geht, die Heinrich von Trott als Soldat sammelte, sehen wir, was Reemtsma und Konsorten angerichtet haben: Die Wehrmacht als Mörderbande, aus der aufrecht lebende Männer nur desertieren können: diese Tendenz übernimmt Seul ungeprüft und bleibt damit, in diesem einen Punkt, unter ihrem Niveau. Man kann es wohl, ohne Ironie, so sagen: Daß die Legende von der pauschal verbrecherischen Wehrmacht sachlich widerlegt wurde, ist ihr offensichtlich entgangen.

Das "Aufrechte Leben" ist somit ein insgesamt durchwachsenes Werk. Seine Qualitäten liegen eher im Menschlichen als im Historischen. Am besten gelingen die Szenen, in denen Seul über ihre Begegnungen mit Heinrich von Trott berichtet. Da findet sie schöne Bilder und eine kluge Balance zwischen Distanz und Nähe. Allerdings muß man zugeben, daß sie dabei weitaus sympathischer erscheint als der alte Herr und dessen Neigung zur Selbstinszenierung.                  

Michaela Seul: Ein aufrechtes Leben. Heinrich von Trott zu Solz. Mit einem Vorwort von Ralph Giordano. Herbig Verlag, München 2007, gebunden, 340 Seiten, Abbildungen, 22,90 Euro


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