© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/07 27. Juli / 03. August 2007

Die Sechsundfünfziger
Kultfilm der Nachkriegsjugend: "Die Halbstarken" auf DVD erschienen
Werner Olles

Berlin, Mitte der fünfziger Jahre. Eine Horde Halbstarker, angeführt von dem 19jährigen Freddy (Horst Buchholz), tummelt sich im Hallenbad und provoziert die anderen Badegäste. Zufällig trifft Freddy, der schon lange zu Hause ausgezogen ist, weil er es mit seinem selbstgerechten Vater nicht aushielt, hier seinen jüngeren Bruder Jan (Christian Dormer). Der erzählt ihm, daß ihr Vater für seinen Schwager eine Bürgschaft aufgenommen hat, nun auf 5.000 Mark Schulden sitzt und der Mutter das Leben schwermacht. Freddy stellt Jan seine Bande vor: Da ist Günther, ein Totoladen-Angestellter, den sein langweiliges Leben anödet, Willi, ein bärenstarker Metzgergeselle, der etwas beschränkte Kudde, der aus gutem Hause stammende Mario, der Kellner Klaus und der kleine Wölfi, der Freddy bewundert und gern so wie die "Großen" sein möchte. Und da ist Sissy Bohl (Karin Baal), die fünfzehnjährige, mit allen Wassern gewaschene Freundin Freddys.

In der neueröffneten italienischen Espressobar, in der Klaus arbeitet, beschließen Freddy und seine Kumpels ein Postauto zu überfallen. Zwar gelingt die Tat, doch in den Säcken befinden sich nur wertlose Postanweisungen. Angestachelt von der habgierigen Sissy will Freddy in die Villa von Klaus' Chef einbrechen. Als Jan sich ihm in den Weg stellt, schlägt er ihn nieder. In der Villa treffen sie auf den Vater des Caféhausbesitzers. Sissy fordert Freddy auf, den alten Mann zu erschießen, doch der zögert. Schließlich schießt sie selbst und feuert auch auf Freddy, als der sie zurückhalten will. Schwer verletzt gelingt es ihm, ihr die Waffe zu entreißen. Die anrückende Polizei trifft auf einen gebrochenen jungen Mann, der bereit ist, für seine Taten zu büßen. Während er abgeführt wird, fährt eine Gruppe "Halbstarker" auf Motorrädern vorbei.

Bereits nach der Uraufführung am 27. September 1956 im Essener Ufa-Palast kam es zu Krawallen jugendlicher Kinobesucher, die sich in fast allen Großstädten wiederholten. "Die Halbstarken" wurde rasch zum Kultfilm der unreflektiert aufbegehrenden Nachkriegsjugend, die sich darin wiedererkannte. Und er wurde zum Durchbruch für Horst Buchholz und Karin Baal, die sich mit 700 anderen Mädchen für den Film beworben hatte. Buchholz, der noch in der Synchronfassung des James-Dean-Klassikers "Rebel without a Cause" (Denn sie wissen nicht, was sie tun, 1955) Sal Mineo die Stimme lieh, wurde nun zum "deutschen James Dean" stilisiert.

Gedreht nach einer Erzählung des milieukundigen Journalisten (und ehemaligen JF-Autors) Will Tremper, bietet der Film einen interessanten Einblick in die Gefühlswelt vieler Jugendlicher zur Zeit des Wirtschaftswunders. Daneben besticht er durch eine sorgfältige Regie - Georg Tressler erhielt 1957 für "Die Halbstarken" das Filmband in Silber - und eine großartige Kameraführung (Heinz Pehlke).

Hervorzuheben ist auch die wunderschön luzide Schwarzweißfotographie des Fünfziger-Jahre-Westberlins, die auf der bei Arthaus Premium erschienenen DVD hervorragend zur Geltung kommt. Als Bonusmaterial gibt es Christian Buchholz' bewegendes Porträt seines 2003 verstorbenen Vaters: "Horst Buchholz ... Mein Papa", ein kleines, intimes Filmprojekt, dessen großer Charme gerade im Unausgesprochenen liegt.   

DVD "Die Halbstarken", s/w, Arthaus, Lauflänge: ca. 91 Minuten

Foto: Freddy (Horst Buchholz, 1933-2003)


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