© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/07 10. August 2007

Weltliteratur mit privatem Gedöns
Bisher unveröffentlichte Fragmente des US-Lyrikers Ezra Pound erschienen / Aufschlußreiche Horizonterweiterung bleibt dem Leser jedoch verwehrt
Thomas Bachmann

Was nach dem Zweiten Weltkrieg viele abgestoßen haben mag, sich mit Ezra Pound zu befassen, scheint heute für nicht wenige eher seine Attraktivität auszumachen. Der 1885 in einem "Frontier Town" in Idaho geborene Epiker gilt nicht allein als einer der wesentlichen Protagonisten der literarischen Avantgarde englischer Sprache in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Er ist vor allem der vielleicht prominenteste Vertreter dieses intellektuellen Milieus, der zum Parteigänger des italienischen Faschismus wurde und ihm durch dick und dünn bis ans bittere Ende die Treue hielt.

Fassungslose Biographen haben zwar in beschwichtigender Absicht und mühseliger Kleinarbeit alle möglichen Zeugnisse zusammengetragen, die belegen sollen, daß Pound im hohen Alter eventuell doch immer wieder von Selbstzweifeln ob seiner Rolle in finsterer Zeit heimgesucht worden sein könnte. In ihrer überwältigenden Mehrzahl deuten seine dokumentierten Bekundungen jedoch darauf hin, daß er bis zu seinem Tod im Jahr 1972 konsequent und gerne unbelehrbar blieb.

Allerdings ist davon auszugehen, daß das Interesse Pounds an dem, was den Faschismus tatsächlich ausmachte, so man ihn denn überhaupt als eine geistige Bewegung betrachten will, eher unterentwickelt war und er in diesen vielmehr seine eigenen überspannten Auffassungen hineinprojizierte. Die antikisierende Ästhetik der Mussolini-Bewegung, ihr kecker missionarischer Übermut, Weichenstellungen für Äonen vornehmen zu wollen und ihr Ekel vor der so egoistisch berechnenden wie sich in humanistischer Gefühlsduselei ergehenden Krämergesinnung, die aus Demokratie und Kapitalismus geboren worden war, sollten ihm jedoch Gewähr genug dafür bieten, daß er das Italien jener Jahre mit Recht als seine Seelenheimat betrachten durfte.

Davon überzeugen konnte er sich vor Ort und nicht wie manch andere mit dem Faschismus liebäugelnde Intellektuelle bloß aus der gemütlichen Distanz der Salons in den Kulturmetropolen des Kontinents. Nach langen Jahren in London und einem Zwischenspiel in Paris hatte er sich 1924 mit seiner Ehefrau in Rapallo niedergelassen. Auch die Hauptgeliebte und 1929 sogar die Eltern zogen hierhin. Pound blieb in Italien bis zu seiner Überstellung an ein Gericht in Washington im November 1945, unterbrochen lediglich durch einen USA-Besuch im Jahr 1939, den er dazu nutzte, vor einer Verstrickung Amerikas in den sich abzeichnenden Krieg in Europa zu warnen. Nach Aufhebung der Anklage wegen Hochverrats und seiner Entlassung aus der Anstalt für kriminelle Geisteskranke kehrte er 1958 nach Italien zurück.

Kritiker, die zwischen dem epochemachenden Lyriker und dem peinlichen Faschisten Pound zu differenzieren versuchen, weisen mitunter darauf hin, daß im Jahr seiner Übersiedlung nach Rapallo die Zeit über sein Werk eigentlich schon hinweggegangen war. Dies ist insofern richtig, als er tatsächlich nicht mehr die Rolle des Wortführers einer literarischen Bewegung spielte, die aktuell noch für Aufsehen sorgte. Allerdings fällt der größte Teil der Arbeit an seinem epischen Lebenswerk, den "Cantos", in jene Jahre auf italienischem Boden.

Sofern seine Texte aus dieser Zeit nicht unmittelbar in angelsächsischen Verlagen erschienen waren, hat es nach dem Zweiten Weltkrieg eine Weile gedauert, bis sie zugänglich wurden. Einen der Schlußpunkte mögen nun jene Fragmente und zurückgehaltenen oder abgelehnten Essays darstellen, die vor zehn Jahren im englischsprachigen Original und unter dem Titel "Maschinenkunst" unlängst auch in deutscher Übersetzung erschienen sind.

Liest man sie als Aphorismenschatz, kann man aus ihnen manch hübschen, wenn auch nicht immer ganz auszulotenden Sinnspruch schöpfen. Will man mit ihrer Hilfe jedoch den ganzen Pound oder doch wenigstens den der italienischen Jahre erschließen, muß man sich auf eine enttäuschende Lektüre gefaßt machen. Die berüchtigte Methode Pounds, subjektive Schlaglichter auf das große Weltgeschehen und die noch größere Weltliteratur mit privatem Gedöns zu einem Sammelsurium geheimniskrämerischen und wichtigtuerischen Raunens zu verweben, wird in dem Konglomerat der Maschinenkunst-Texte in gnadenloser Weise durchexerziert, nun einmal halt in Prosa und nicht in Versen.

Das Nachwort, das in konventioneller Auffassung ja durchaus ein Instrument hätte werden können, um das Verständnis der Haupttexte zu erleichtern, begnügt sich leider ebenfalls damit, Pound bloß zu paraphrasieren. Da hier weder literarische Juwelen zutage gefördert noch überfällige Erkenntnisse ermöglicht wurden, stellt sich die Frage nach dem Zweck einer derartigen editorischen Leichenfledderei. Diese Texte mögen "verloren" gewesen sein, sie wurden aber nicht vermißt.

Ezra Pound: Maschinenkunst. Das vorlorene Denken der italienischen Jahre. Karolinger Verlag, Wien 2005, broschiert, 207 Seiten, 26 Euro


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