© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/07 10. August 2007

"Sport Utility Vehicles": Mit dem Geländewagen durch die Stadt / Volksinitiative in der Schweiz
Verbrauch wie ein Panzer
Carsten Krystofiak

Neulich im Italienurlaub: Die linke Autobahnspur ist voller Pseudo-Geländewagen. Doch auf dem nicht asphaltierten Zufahrtsweg zur Ferienanlage schleichen die Sport Utility Vehicles (SUV) plötzlich im Schrittempo dahin, während der einheimische Fiat-Uno-Fahrer lässig mit 50 Sachen über die Schlaglöcher hinwegbrettert. Also wofür werden diese Offroad-Limousinen gebaut, wenn offensichtlich nicht fürs Gelände?

Wer naiv davon ausgeht, daß man doch eigentlich auch keine Bergwanderschuhe anzieht, wenn man Schaufensterbummeln geht, hat das Prinzip nicht verstanden: Je älter die Jungs, desto größer das Spielzeug. Keine Frage, daß die Riesenautos derzeit die beliebteste Verlängerung für Kinder-Egos sind. Die weitaus meisten Möchtegern-Jeeps sind übrigens in Großstädten zugelassen.

Wenn Kinder mit ihrem Spielzeug Unfug treiben, muß man es ihnen aber manchmal aus erzieherischen Gründen wegnehmen. Darum hat die Partei der Grünen in der Schweiz die Volksinitiative für menschenfreundlichere Fahrzeuge gestartet, die SUV-Fahrern den Spaß verderben soll. Ziel: Überdimensionierte Offroader sollen grundsätzlich verboten werden; bereits angemeldete dürfen nur noch Tempo 100 fahren. Hunderttausend Unterschriften sind für eine Abstimmung über eine entsprechende Verfassungsänderung nötig. Bis August 2008 müssen alle Unterschriften vorliegen; über 20.000 sind schon beisammen. Die dazu passenden Anti-SUV-Aufkleber gehen weg wie warme Semmeln. Insgesamt wünschen sich laut Umfragen 51 Prozent der Eidgenossen mindestens eine SUV-Sondersteuer.

Die Kritiker der Monster-Mobile bemängeln vor allem zweierlei. Erstens die katastrophale Öko-Bilanz: Mehr als 65 (!) Liter verbraucht zum Beispiel der Porsche Cayenne bei Vollgas; der CO2-Ausstoß übertrifft drei Kleinwagen. Diese Werte entsprechen einem 12 Tonnen schweren Schützenpanzer der Bundeswehr! Zweitens haben Fußgänger wegen der hohen Front keine Chance mehr, sich bei einem Aufprall über die Motorhaube abzurollen. Beim Unfall wird der SUV zum tödlichen Rammbock. Der Seitenaufprallschutz kleinerer PKW ist zudem sinnlos, wenn der SUV durchs Fahrerfenster rauscht. Außerdem nehmen sie dahinterliegenden PKW-Fahrern die Sicht und damit die Möglichkeit, vorausschauend zu fahren.

Als besondere Potenz-Prothese gibt es noch ein nettes Zubehör: den "Frontschutzbügel", auch "Kuhfänger" genannt. Wer dagegen läuft, hatte bisher keine Chance: ein Aufprall mit nur 20 km/h im Brust-/Kopfbereich entspricht der Wucht eines Zusammenstoßes mit einem normalen PKW bei doppelter Geschwindigkeit. Seit dem 25. Mai erlaubt die EU wenigstens nur noch flexible Rammbügel, die das Risiko für Fußgänger nicht drastisch erhöhen. Doch wie die kleinen fangen auch die großen Jungs an zu heulen, wenn man ihnen ihr Lieblingsspielzeug wegnehmen will: In den Internetforen ist die Hölle los! Einige Cayenne-Fahrer schämen sich nicht mal, obszöne Vergleiche zur NS-Zeit herbeizuziehen.

Und auch die Hersteller mischen sich in die Diskussion ein: Auf einen SUV-kritischen Leserkommentar in der Online-Ausgabe des Focus antwortete sogleich ein weiterer Kommentar mit derart schablonenhaften PR-Phrasen ("Toll! SUV sind derzeit und zukünftig voll im Trend, und viele Verbraucher warten schon sehnsüchtig auf neue Alternativen zum X3 ..."), daß man wohl auf die Kommunikationsabteilung von Mercedes als Urheber tippen darf.

Der Schweizer Bundespräsident verglich die Mentalität von 4x4-Fahrern (ausgenommen Förster natürlich) mit der von "Kampfhundbesitzern". Das ist nicht nur Polemik: Es gibt auch andere Mittel, um zu beeindrucken - den raren Klassiker oder edle Details, die Noblesse verraten. Aber statt Understatement strahlt der SUV nur Protz aus.

Protz macht unsympathisch: Bei einer Leserumfrage auf Spiegel Online stimmten 2.626 Teilnehmer für ein sofortiges SUV-Verbot in Deutschland (73,8 Prozent). Nur 763 Leser wollten die Offroader unbedingt behalten. Doch weder die Grünen noch Greenpeace planen gegenwärtig konkrete Maßnahmen gegen die Ungetüme.

In den USA geht der Trend zum SUV indes schon wieder zurück. Bis diese Wende mit transatlantischer Verzögerung auch bei uns ankommt, wird es noch etwas dauern. Irgendwann werden die SUVs dann als zeittypische Geschmacksverirrung der Jahrhundertwende gelten - wie taillierte Synthetikhemden der siebziger Jahre. So lange rät ein Diskussionsteilnehmer aus dem Internetforum mit väterlicher Weisheit zu pädagogischer Vernunft: "Irgendwann is' halt das Öl alle - und dann ist Ruhe."

Foto: Keine Chance für Fußgänger: Als nettes Zubehör gilt der Frontschutzbügel, auch Kuhfänger genannt


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