© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Respekt und Selbstbestimmung
Andreas Mölzer

Die Andeutungen des EU-Beauftragten Wolfgang Ischinger (deutscher Botschafter in London) und des österreichischen Balkanbeauftragen Erhard Busek (ÖVP, Ex-Vizekanzler), wonach die Krisenprovinz Kosovo zwischen Serben und Albanern geteilt werden könnte, sind als durchaus sinnvolle Denkansätze zu betrachten. Denn nicht der Wahn von Multikulti-Experimenten und einem multi-ethnischen Kosovo, der die Konflikte der Vergangenheit nur in die Zukunft trägt, ist die Lösung des Problems, sondern eine ethnische Entflechtung des "autonomen Territoriums", wie es von der Uno-Resolution 1244 bezeichnet wird.

Doch dabei müssen die historischen serbischen Ansprüche respektiert werden - insbesondere die serbischen Mythen über die Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) von 1389, die als Inbegriff des christlich-orthodoxen Kampfes gegen die muslimischen Osmanen gelten. Denn dies war das letzte große Aufbäumen vor der Eroberung Serbiens durch die Osmanen 1459. Andererseits aber gilt es, das Selbstbestimmungsrecht der Völker - im konkreten Fall der albanischen Mehrheit im Kosovo - zu respektieren. Deshalb kommt wohl nur eine Teilung der Provinz in Frage, die nur halb so groß wie Hessen ist und wo derzeit etwa 3.800 Bundeswehr-Soldaten stationiert sind. Der kleine serbisch besiedelte nördliche Teil soll an Serbien fallen, den serbischen Streusiedelungen im Süden des Landes soll die Möglichkeit zur Option gegeben werden. Dies müßte unter EU-Aufsicht geordnet geschehen und nach humanitären Prinzipien ermöglicht werden.

Wenn Mul-tikulti-Träumer im Westen nunmehr befürchten, daß die anderen multi-ethnischen Staatskonzepte, wie sie in Bosnien-Herzegowina und in Mazedonien verwirklicht werden, gefährdet seien, zeigt dies nur, wie unrealistisch diese Kunstgebilde sind. Man muß sich endlich von den Grenzen Tito-Jugoslawiens verabschieden und statt dessen die ethnisch-kulturellen Gegebenheiten respektieren. Natürlich heißt dies ebenfalls, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch den Albanern einen friedlichen Zusammenschluß erlaubt, der albanisches Siedlungsgebiet im Kosovo und in Mazedonien umfaßt. Das gleiche gilt aber auch für Kroaten und Serben in Bosnien-Herzegowina.

Die Behauptung, damit werde der gesamte Balkan wiederum destabilisiert, geht ins Leere, da die krampfhafte Aufrechterhaltung der ethnischen Mischsiedlung durch multikulturelle Träumereien ohnedies nur eine Verdrängung bzw. ein Verstecken der historischen Konflikte bedeutet. Denn ohne Uno, Nato oder EU würden die alten Konflikte rasch wieder aufbrechen - eine dauerhafte Lösung wäre nicht möglich. International gesicherte ethnische Entflechtung und die konsequente Anwendung des Selbstbestimmungsrechts der Völker ist also auch für den Balkan die einzige Möglichkeit zur nachhaltigen Friedenssicherung.

Natürlich müßte dies mit einer europäischen Perspektive für den gesamten Westbalkan verbunden werden, weshalb die EU dort auch die ordnungspolitischen Aufgaben übernehmen muß und diese keinesfalls den US-Amerikanern überlassen darf. Die Multikulti-Konzepte sind zum Scheitern verurteilt - Respekt für Serbiens Ansprüche und gleichzeitig für das Selbstbestimmungsrecht der Völker sind die Lösung.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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