© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Bildungsreform
Karl Heinzen

Bildungspolitiker machen es sich zu bequem, wenn sie wie ein Dienstleister einfach nur die Qualität der von ihnen verantworteten Lehrangebote zu optimieren versuchen. Sie lassen dabei nämlich außer acht, daß ihre eigentlichen Kunden gar nicht die Schüler sind, sondern die Unternehmen, die ihr Personal erneuern oder ergänzen wollen.

Die Institution Schule erfüllt den Zweck, junge Menschen so auf ihr späteres Berufsleben vorzubereiten, daß die Wirtschaft etwas mit ihnen anzufangen weiß. Dies bedeutet nicht die Qualifizierung zu Höherem um jeden Preis. Im Gegenteil: Die Unternehmen benötigen ja in nicht unerheblichem Maße schlecht ausgebildete, wenn nicht gar ungelernte Kräfte, denen sie für niedrige, gleichwohl aber unerläßliche Tätigkeiten reinen Gewissens Billiglöhne zahlen können.

Bildungspolitik strikt an ökonomischen Erfordernissen auszurichten, ist in einem Land, das auf diesem Gebiet sehr lange einen grotesken Sonderweg beschritten hat, weiterhin nicht einfach. Die sentimentale Wertschätzung der sogenannten klassisch-humanistischen Ideale hallt noch immer nach. Überwunden ist aber wenigstens schon einmal eine verzärtelnde Pädagogik, die junge Menschen unter dem Vorwand, sie zu freien Persönlichkeiten erziehen zu wollen, zu Faulheit und Disziplinlosigkeit verführte.

In dieser Hinsicht ist die Ankündigung des Düsseldorfer Kultusministeriums, daß den Schulen in Nordrhein-Westfalen in Zukunft ganz freigestellt ist, auch am Samstag Unterricht anzusetzen, ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Das Recht auf ein arbeitsfreies Wochenende ist eine überholte Vorstellung aus den Tagen des Sozialstaates, die mit der Berufsrealität von heute nichts mehr zu tun hat. Es ist gut, wenn Schüler hier gar nicht erst auf falsche Gedanken kommen. Vor allem aber wird den erwerbstätigen Eltern von heute eine Betreuungsmöglichkeiten geboten, die ihre Flexibilität, auch am Samstag zu arbeiten, erhöht. Ließe sich an ihm oder gar am gesamten Wochenende auch noch Ganztagsunterricht etablieren, könnte im übrigen darüber nachgedacht werden, die Schulzeit weiter zu verkürzen. Das Abitur nach der zehnten Klasse sollte nicht mehr länger eine Utopie sein.

Antiquiert ist hingegen die Anregung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger, ein bundesweites Zentralabitur einzuführen. Der Nationalstaat hat nämlich auch hier ausgedient. Wer wirklich mit der Zeit gehen will, darf sich nicht einmal mit einem europäischen Zentralabitur begnügen. Er muß ein weltweites fordern.


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