© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Sehnsucht nach der heilen Welt
Kino: "Zusammen ist man weniger allein" von C. Berri
Silke Lührmann

Im überdimensionierten Teilchenbeschleuniger Großstadt reiben vier Menschen gegeneinander, bis alle Kanten glattgeschliffen sind: Der Stotterer reüssiert als Sprechkünstler, die eßgestörte McJobberin lernt sich ihres Lebens zu freuen, der Weiberheld findet die Frau seines Herzens, die traurige Witwe ihren Frieden.

Damit wäre die Handlung von Claude Berris kleinem, feinen Film nach Anna Gavaldas gleichnamigem Roman schon erzählt, wenn nicht gar verraten. Sein Charme liegt in den Zwischentönen, den leisen wie den ohrenbetäubend lauten - wenn Franck (Guillaume Canet) mal wieder "breit" ist und in der geräumig-gediegenen Altbauwohnung, die er mit dem leicht verschrobenen Aristokraten-Sproß Philibert (Laurent Stocker) teilt, die Musik dröhnt.

Adel verpflichtet, auch und gerade in einem Film über Pariser Herzschmerz und Seelennöte irgendwo zwischen Mittelschicht und Prekariat, in sicherer Entfernung jedenfalls von den Banlieues. Unvermeidlich also, daß Philibert, obwohl doch selber vom 21. Jahrhundert eindeutig überfordert, sich kümmert - nicht nur um den launischen Koch Franck mit seiner Liebe für schnelle Motorräder und seiner zum Pflegefall gewordenen Großmutter (Françoise Bertin), sondern erst recht um Camille (Audrey Tautou), die in ihrer Dachkammer an sozialer Kälte einzugehen droht.

"Zusammen" meint selbstredend eben keine einsame Masse Houellebecqscher Elementarteilchen, sondern jene nie ganz kitschfreie Sehnsucht nach der heileren Welt vormoderner Gemeinschaft, Tautous Markenzeichen seit ihrem internationalen Durchbruch in "Die fabelhafte Welt der Amélie" (2001). Hier wird sie ausgerechnet bei einem barbarischen Schlachtfest auf dem Dorf zelebriert: wohl ohne jede ironische Intention.

Hauptdarstellerin Audrey Tautou, die einst als Amélie zuckersüß die Mitmenschen beglückte, war zuletzt auch mit treudoofem Augenaufschlag im "Da Vinci Code" nicht wesentlich erträglicher. Ob die wunderbar herbe Kratzbürstigkeit der Camille Tautous Spiel oder aber der Stimme ihrer deutschen Synchronsprecherin zu verdanken ist, dürfte den meisten Kinogängern hierzulande egal sein. 

Am Ende kriegen sich alle, doch man gönnt es ihnen von Herzen.


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