© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Kolumne
Unmenschliche Mittel
Herbert Ammon

In der vor dem Sommerloch unter Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeiten Polens, die Souveränität der Briten sowie die Eigenheiten der Dänen frei von Verfassungsbedenken in neue Vertragsform gegossenen EU ist für nationale Überheblichkeit, gar Ethnozentrik kein Platz. Aufgrund unserer Geschichte müssen wir die Sensibilitäten der irreversibel befreundeten Nachbarvölker respektieren.

Dürfen wir uns, eingedenk des deutsch-dänischen Krieges von 1864, über die nördlichen Nachbarn erheben? Aus Kopenhagen kommen irritierende Nachrichten: Migranten werden über obligatorische Sprachkurse sowie Unterweisung in Lebensgewohnheiten (folkelighed) zu "Neu-Dänen" gemacht, somit zwangsintegriert. Sodann eine Nachricht - noch hoffen wir, es handle sich um eine Agentur-Ente -, die im Hinblick auf die von Schäuble umworbenen Grünen bedenklich stimmt: Wie gehen die Dänen mit der im Zuge der europäischen Einigung importierten Spanischen Wegschnecke (Arion lusitanicus) um? Sie wehren sich mit unmenschlichen Mitteln gegen die "Invasion" der "Killerschnecken"! Während sie zur Selbsthilfe schreiten (Zerschneiden, Einsalzen, Kochen usw.), wenden sich Hobbygärtner gegen die Idee der Umweltministerin, eine gesetzliche Schneckenbekämpfungspflicht einzuführen. Zwangsmaßnahmen seien "undänisch".

Das Unwort "undeutsch" haben wir aus unserem Vokabular verbannt. Betroffen macht, bei Wikipedia, der akademischen Wegbegleiterin der vom Bologna-Prozeß nach US-Vorbild irreversibel, wenngleich gender-insensibel kodifizierten Bachelor- und Master-Studiengänge, folgendes zu lesen: "Auch Neozoen sind problematisch, wie die in den 70er Jahren aus Südeuropa eingeschleppte Spanische Wegschnecke, die den aufkommenden Gemüsetransporten nach Norden folgte. Sie ist äußerlich von unserer heimischen Nacktschnecke nur als Jungtier unterscheidbar und frißt viele Pflanzen, die unsere heimische Art verschmäht."

Dürfen wir den Dänen dennoch Ratschläge geben? Ehe sich die rote Schnecke aus Spanien mit der dänischen Waldschnecke kreuzt und sich "noch in ganz anderer Geschwindigkeit ausbreitet" (Schneckenforscherin Sabine Engelke), sollten sie eine Beauftragte für Schneckenintegration bestellen. Das Amt sollte in Aussicht auf trockene Sommer befristet und leistungsgerecht eingerichtet werden. Die Ausstrahlung auf die deutsche Hauptstadt, wo es quer durch die Parteien von Kleingärtnern nur so wimmelt, wäre beträchtlich.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen