© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Linke Metapolitik
Die Kehrseite der Hysterie
Dieter Stein

Gleich einem Pawlowschen Reflex betet die Presse seit der Meldung einer Dorffestschlägerei aus Mügeln, deren Tat­hergang bis heute nicht aufgeklärt worden ist, das Thema "Gefahr von rechts" herauf und herunter. Familienministerin Ursula von der Leyen will auf Knopfdruck fünf Millionen Euro zusätzlich in rätselhafte "Kampf gegen Rechts"-Projekte pumpen. Dennoch gibt es seltene Lichtblicke.

So entdeckte am 26. August ein Redakteur der FAZ, die ansonsten nicht dadurch auffiel, das Mügeln-Theater in Frage zu stellen, daß laufend von einem "Kampf gegen Rechts" die Rede, tatsächlich aber der Kampf gegen Rechtsextreme gemeint sei. Die Formel vom "Kampf gegen Rechts", die viele Journalisten verwenden, sorge für eine Begriffsverschiebung: "Deswegen will ja niemand rechts sein, auch die Union nicht. Wer gar von einer rechten Mehrheit spricht, ist ein Fall für den Verfassungsschutz." So ist das wohl. Vielleicht wäre dies einmal einer tiefschürfenden Untersuchung wert, wie linke Parteien, Medien und Antifa-Netzwerke über die Begriffsschöpfung "Kampf gegen Rechts" das "nicht-linke" Lager in eine permanente Defensive getrieben haben.

Schon mehrfach konnte man verfolgen, wie ausgehend von bewußt fehlinterpretierten Gewalttaten eine Maschinerie politischer Großkampagnen der Linken gegen Union und das gesamte bürgerliche Lager angeworfen wird: von 2000 (Start des "Aufstandes der Anständigen" nach einem bis heute ungeklärten Bombenanschlag in Düsseldorf und der Medienente vom "Fall Sebnitz") über den "Fall Hohmann" (2003) bis zum "Fall Ermyas M. (2006). Union und bürgerliche Medien, die dabei selbst ins Visier der durch Steuermillionen künstlich hochgerüsteten, links dominierten "Kampf gegen Rechts"-Projekte gerieten, haben diese Zusammenhänge saturiert, gelangweilt ignoriert.

Zumindest bei Reinhard Müller von der FAZ ist der Groschen gefallen: "Jenseits aller wechselnden parteipolitischen Präferenzen ist diese in der Öffentlichkeit mittlerweile gefestigte Diskreditierung des rechten Spektrums ein kaum zu unterschätzender Erfolg der politischen Linken (und ihrer publizistischen Helfer)." Zu diesen "publizistischen Helfern" muß sich leider auch die FAZ zählen lassen. Nicht nur in der Hohmann-Affäre gab sie ein unglückliches Bild ab, vor wenigen Tagen erst wurde einem Autor des umstrittenen linksextremen Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) fast eine halbe Seite im Feuilleton eingeräumt (siehe auch Seite 11).

Wie weit fortgeschritten die metapolitische Lufthoheit der Linken in geschichtspolitischen Fragen ist, zeigt ein kleiner lokaler Fall schlaglichtartig: Das brandenburgische Zechin hat in der vergangenen Woche entschieden, eine Straße nach dem ersten und einzigen DDR-Staatspräsidenten und Kommunisten Wilhelm Pieck zu benennen (siehe Bericht auf Seite 6). Die Teilnahmslosigkeit, mit der die Öffentlichkeit diesen Skandal hinnimmt, die Selbstverständlichkeit, mit der linkstotalitäre Traditionspflege und Geschichtsdeutung (teils unter dem Mantel des bedenkenlos verharmlosten Begriffs "Antifaschismus") öffentlich akzeptiert wird, ist erschreckend - während das Land von einer Hysterie über die potemkinsch-virtuelle "Gefahr von Rechts" in die nächste fällt.


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