© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Die Verwandlung der Oberfeministin
USA: Die konservative CNN-Journalistin Bay Buchanan hat ein kritisches Buch über Hillary Clinton geschrieben
Ronald Gläser

Ein trostloser Trupp von Strafgefangenen marschiert im Gleichschritt durch ein riesiges futuristisches Gefängnis. Nur ein Mädchen in bunter Sportkleidung ist nicht unterzukriegen. Es rennt - verfolgt von schwerbewaffneten Wärtern - in einen Saal, in dem die Gefangenen Platz genommen haben, um eine Rede auf einer Großbildleinwand zu verfolgen. Diese Ansprache wird gehalten von Hillary Rodham Clinton, die den Kollektivismus predigt. Clinton sagt, sie, die Zuschauer, seien Angehörige des "amerikanischen Teams" - es ist eine Ansprache, die den Gefangenen wie Hohn erscheinen müßte. Aber sie sitzen nur abgestumpft da. Bis der Wurfhammer des Mädchens die Großbildleinwand zerschmettert.

Dieser an einen Apple-Werbefilm von 1984 angelehnte Kurzstreifen ("Vote different", zu sehen auf der Internetplattform youtube.com) wurde von einem anonymen Fan des demokratischen Senators und Anwärters auf die Präsidentschaftskandidatur Barack Obama (45) konzipiert. Er ist brutal, denn er stellt Hillary Clinton (59) als weibliche Version von George Orwells "Big Brother" dar. Und er ist wirksam, denn Obama befindet sich in der Vorwahlschlacht gegen die Ex-Präsidenten-Gattin, und da ist seinen Anhängern jedes Mittel recht.

Auch die Republikaner haben längst mit ihrer Anti-Kampagne begonnen. Für Amerikas Rechte ist Hillary ein Gottesgeschenk. Das konservative Lager läuft sich warm. Auf deutsch kamen allein im Juni drei neue Buchtitel über die demokratische Favoritin fürs Weiße Haus auf den Markt. Erst recht überschlagen sich in Amerika die Analysten mit Einschätzungen über Hillary Clinton.

Sie sei unsicher, kritisiert die konservative CNN-Journalistin Angela Marie "Bay" Buchanan, die Clintons Persönlichkeit untersucht hat. Hillary Clinton selbst hat oft Zeugnis davon abgelegt, wie sehr sie auf den Rat anderer angewiesen ist: ob sie sich die Haare blond färben oder abschneiden soll, ob sie Tochter Chelsea mit ins Weiße Haus nehmen soll oder nicht, ob sie ihren Mädchennamen zugunsten des Namens ihres Mannes abgeben soll. Für Buchanan, die frühere US-Schatzmeisterin und Schwester des Kolumnisten Pat Buchanan, steht fest: "Hillary kann niemals eine vertrauenswürdige Führerin sein" - wegen ihrer atemberaubenden Unsicherheit.

Eben deswegen zähle Clinton gerne die wichtigen Personen auf, mit denen sie in ihrer Zeit als First Lady von Arkansas, von den Vereinigten Staaten und als Senatorin zu tun hatte: von Jackie Onassis über den Dalai Lama und Nelson Mandela bis hin zu Stevie Wonder. "Es tut weh, die gezielte Plazierung so vieler Namen in einem Buch zu lesen", räsoniert Buchanan über Clintons Präsidentengattin-Erlebnisbericht "Gelebte Geschichte", der die Autorin übrigens acht Millionen Euro reicher gemacht hat.

Hillary Clinton versucht sich selbst neu zu erfinden. Das ist die Kernthese von Buchanans Buch "The extreme Makeover of Hillary Clinton" (Die extreme Verwandlung der Hillary Clinton). Clinton gebe sich als konservative Demokratin, seit sie dem US-Senat angehöre, spätestens aber seit 2004. So wird Hillary Clinton in den US-Zeitgeistmedien auch wahrgenommen. Die New York Times schrieb im November 2004: "Seit sie im Senat angekommen ist, hat Frau Clinton in einer Reihe von Fragen, vom Sozialstaat bis Irak, gemäßigte bis konservative Positionen eingenommen - zum Ärger ihrer linken Unterstützer und zur Freude einiger Republikaner."

Aber ist diese Verwandlung Folge eines echten Sinneswandels? Buchanan sagt nein. Hillary Clinton sei fest entschlossen, US-Präsidentin zu werden. Sie habe diesem Ziel alles untergeordnet, auch ihre eigentliche Weltanschauung. Als "linke Ideologin", die Clinton seit Jahrzehnten ist (als Jugendliche war sie mal ein ganz rechtes "Goldwater Girl"), hätte sie keine Chance, gewählt zu werden - zu groß ist der Widerstand des ländlichen, konservativen Amerika, das George W. Bush zwei Amtszeiten geschenkt hat.

Bill Clinton war - anders als seine Frau - ein großartiger Kommunikator. Der Gouverneur von Arkansas kam an bei den Leuten, besser als sein Vize Al Gore und erst recht besser als seine Frau. Hillary Clinton mischte sich 1993 sogleich in die Regierungspolitik ein und galt fortan bei vielen Konservativen als herrschsüchtiges Luder, das seinen Mann zu dominieren versucht.

Hillary Clinton hat lange gebraucht, dieses Image abzulegen. Und als Senatorin war sie stets bemüht, sich einen besseren Leumund als konservative Demokratin zu geben, um nicht länger als "Oberfeministin" (Buchanan) wahrgenommen zu werden - erst recht nach der Wahlniederlage von John Kerry, der 2004 scheiterte, weil er als zu liberal galt. Sie wirke zudem so herzlos und kalt, daß ein Neuling wie Obama überhaupt erst ins Spiel kommen konnte, mutmaßt Buchanan, die aber trotzdem an Hillarys Erfolg bei den Vorwahlen glaubt.

Zumindest wird Clinton nicht an ihrer "Herzlosigkeit" scheitern: Auch Kanzlerin Angela Merkel wurde diese Charaktereigenschaft vor ihrer Wahl zugeschrieben. Dennoch ist die Kanzlerin obenauf und führt alle Persönlichkeitsumfragen an. Vielleicht schafft Hillary Clinton es ja doch noch, diesen negativen Punkt (Herzlosigkeit) in einen Vorteil - nämlich Durchsetzungsfähigkeit, die ihr bislang abgesprochen wird - umzumünzen.

Bay Buchanan: The Extreme Makeover of Hillary (Rodham) Clinton, Verlag Regnery Publishing, Inc., Washington 2007, 256 Seiten, kartoniert, 21,24 Dollar

Der Anti-Clinton-Film Obamas im Internet: www.youtube.com/watch?v=6h3G-lMZxjo

Fotos: Hillary Clinton: Zwei-Fronten-Kampf gegen Obama und Republikaner; Buchanan-Buch: Sinneswandel?


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