© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Der Miesepeter und die Autistin
Neu auf DVD: "Snow Cake" mit Sigourney Weaver
Werner Olles

Der Engländer Alex Hughes (Alan Rickman) fährt durch das verschneite Kanada, um sich in Winnipeg mit der Mutter seines vor längerer Zeit tödlich verunglückten Sohnes zu treffen. In einer Raststätte setzt sich die junge Tramperin Vivienne (Pamela Hampshire) zu ihm, und obwohl er sich abweisend verhält, läßt er sich dazu überreden, sie ein Stück mitzunehmen. Vivienne schafft es mit ihrem Charme und ihrer Unbekümmertheit sogar, den verschlossenen Alex in ein persönliches Gespräch zu verwickeln, das allerdings jäh endet, als ein schwerer LKW frontal in ihren Wagen kracht. Alex trägt außer dem Schrecken nur ein paar kleine Blessuren davon, doch das Mädchen stirbt noch am Unfallort.

Geplagt von Schuldgefühlen, möchte Alex Viviennes Mutter die Nachricht von ihrem Tod überbringen. Er ist völlig überrascht, als diese keine emotionalen Reaktionen zeigt. Linda (Sigourney Weaver) ist Autistin und lebt in ihrer eigenen Welt, zu der kaum jemand Zutritt hat, nicht einmal ihre Eltern oder die Nachbarn. Obwohl Alex ihr Verhalten nicht versteht, bleibt er bei ihr, um die Beerdigung zu organisieren. Und er lernt ihre attraktive Nachbarin Maggie (Carrie-Ann Moss) kennen, mit der er über seine Schuldgefühle reden kann. Die beiden verlieben sich, doch Maggies Verflossener, ein eifersüchtiger Polizist, erzählt ihr, daß Alex im Gefängnis war, weil er den Mann getötet hat, der am Tod seines Sohnes schuld war. Und dann ist da auch noch die Beerdigung von Vivienne ...

Regisseur Marc Evans, der bislang eher durch ziemlich harte Horrorthriller Aufsehen erregte, ("My little Eye", "Trauma", "Ressurection Man"), heimste bereits auf der Berlinale 2006 mit dem Eröffnungsfilm "Snow Cake" (2005) wohlwollende Kritiken ein. Es folgte der Publikumspreis bei der 6. Filmkunstmesse in Leipzig. Und das durchaus zu Recht. Die Besetzung ist wirklich erstklassig: Alan Rickman ("Stirb langsam", "Tatsächlich Liebe") spielt den miesepetrigen Alex, der selbst nicht mit seinem Leben zurechtkommt und dann auch noch einer Autistin beistehen muß, mit perfekter britischer Zurückhaltung. Sigourney Weaver ("Alien I-IV") hatte sich intensiv auf ihre Rolle vorbereitet und lange mit autistischen Menschen gearbeitet, um sich in ihre Denk- und Verhaltensweisen hineinversetzen zu können. Das ist ihr phantastisch gelungen, und dank ihrer Darstellung ist "Snow Cake" kein Film über eine Autistin, sondern über eine außergewöhnliche Frau, die auf ihre ganz spezielle Weise ihr Leben zu meistern versteht.

Zum großen Erfolg des Films hat jedoch vor allem das Drehbuch von Angela Pell beigetragen, die selbst Mutter eines autistischen Jungen ist. Auch ihr ist es zu verdanken, daß sich Tragik und trockener Humor die Waage halten und Kitsch und Klischees bis zum Schluß keine Chance haben. Ein besonderes Lob hat auch der stimmungsvolle Soundtrack verdient. Als Extras gibt es unter anderem eine Fotogalerie, diverse Interviews und einen Text zum Autismus.


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