© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Tödlicher Ernst:
An die Grenze
Christoph Martinkat

Der Schriftsteller Ingo Schulze, in den frühen achtziger Jahren NVA-Soldat, hat am Jahrestag des Mauerbaus zu Recht darauf  hingewiesen: Für all jene, die den Fahneneid der NVA leisteten und mit scharfer Munition auf Wache zogen, gab es einen Schießbefehl - auch wenn die Schußwaffe erst nach Vorwarnungen durch einen Warnschuß in die Luft zum Einsatz kommen sollte. Schulze hat zudem beschrieben, wie man den ungeliebten Dienst an der Grenze vermeiden konnte. Man mußte dazu die "Westverwandtschaft" ins Spiel bringen. Zwar brachte dies Unannehmlichkeiten mit sich, etwa jene, an einem möglichst entlegenen Ort stationiert zu werden. Allerdings war so etwas ein vergleichsweise geringes Übel gemessen an dem immensen Druck, den man als Grenzer auszuhalten hatte. Manch einer zerbrach daran, wie der Schauspieler Ulrich Mühe aus eigener "Grenz-Erfahrung" heraus mehrmals konstatierte.

Die typischen Konflikte eines NVA-Grenzsoldaten dramatisiert der Film "An die Grenze" (Fr., 7. Sept., 20.40 Uhr, Arte): Alexander, der Sohn eines Ost-Berliner Chemieprofessors, wird nach dem Abitur zu den Grenztruppen einberufen. Für ihn ist die Einberufung mit der Illusion verbunden, an der Grenze einen "Friedensdienst" zu tun und sich zur "sozialistischen Persönlichkeit" zu entwickeln. Doch die Realität sieht anders aus: Die Kompanie wird von den brutalen Ritualen der "Entlassungskandidaten" beherrscht, geduldet oder benutzt vom Offizierskorps. Auch erfährt Alexander schnell, was tatsächlich passiert, wenn ein Mensch im Visier der Kalaschnikow auftaucht.


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