© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Verfrühte Rückkehr
Pakistan: Ex-Premier Sharif reiste vergeblich nach Islamabad / Kein Kompromiß mit Präsident Musharraf
Shams Ul-Haq

Nach fast sieben Jahren im Exil in Saudi-Arabien und London kehrte Mian Mohammed Nawaz Sharif am Montag unter großem Medienrummel nach Pakistan zurück, um die Herrschaft von Präsident Pervez Musharraf herauszufordern. Doch der ehemalige Premierminister wurde schon auf dem Flughafen von Islamabad festgesetzt und einige Stunden nach seiner Ankunft wieder ausgeflogen.

Die Rückkehr des 57jährigen auf die politische Bühne Pakistans kam für viele überraschend. Während sich Sharifs Vorgängerin im Amt des Regierungschefs, Benazir Bhutto, mit Musharraf auf ein "inoffizielles" Abkommen über ihre Rückkehr aus dem Exil geeinigt hat, hat sich Sharifs Muslimliga (PML-N) mit anderen Oppositionsparteien zusammengeschlossen. Dieses Bündnis sowie Sharifs Rückkehr hat vielen seiner ehemaligen Parteifreunden, die mittlerweile General Musharrafs Regierung angehören, schlaflose Nächte bereitet. Die jüngsten Ereignisse sind die neueste Wendung in der Karriere eines Mannes, der bis zum Militärputsch 1999 (bei dem der damalige Generalstabschef Musharraf an die Macht kam) die politische Landschaft Pakistans dominierte. In beiden Parlamentshäusern hatte er die Mehrheit, und auch die wichtigsten Institutionen hielt er in seiner Hand - bis auf das Militär.

Als die Armee die Macht übernahm, wurde Sharif festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt, Anklagepunkte waren Raub, Entführung und Korruption. Wegen letzterer wurde er auch lebenslang von allen politischen Aktivitäten ausgeschlossen. Durch ein Abkommen mit der Regierung in Riad wurde der Strafvollzug verhindert. Ende 2000 wurde Sharif zusammen mit 40 Familienmitgliedern nach Saudi-Ara-bien ins Exil verbannt, geplant war eine Zeitspanne von zehn Jahren.

Als Sharif nun am Montagmorgen um 8.30 Uhr an Bord des Fluges PK 786 aus London in Islamabad landete, wurde er schon von Militär und Sicherheitskräften sowie hochrangigen Politikern erwartet. Sharif, der kurz vor der Landung zu seinen Parteifreunden in die Touristenklasse gestoßen war, weigerte sich, den pakistanischen Offiziellen seinen Paß zu geben und das Flugzeug zu verlassen. Nach zwei Stunden schließlich betrat Sharif die Lobby des Flughafen Islamabad, auch dort wurde er von Polizeikräften erwartet. Mehrere Stunden verhandelte er mit Repräsentanten der pakistanischen und der saudi-arabischen Regierung, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sharif wurde unter der Anklage Korruption kurzzeitig verhaftet und schließlich mit einem Sonderflug nach Saudi-Arabien abgeschoben.

Während verhandelt wurde, lieferten sich Mitglieder der Muslimliga und die Polizei außerhalb des Flughafens und an der Khairabad-Attock-Brücke Gefechte, in deren Verlauf mehrere Anhänger beider Gruppen verletzt wurden. Zuvor waren schon zahlreiche Sharif-Anhänger vorsorglich inhaftiert worden. Bei einem Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT im August in London hatte sich Sharif noch optimistisch geäußert, denn der Oberste Gerichtshof Pakistans hatte ihm die Wiedereinreise erlaubt. Sharif nannte diesen Beschluß einen "wegweisenden Glücksfall für die nähere Zukunft Pakistans".

Durch seinen Sturz 1999 sieht er die politische Landschaft Pakistans schwer beschädigt, die Schuld gibt er dem Militär, das sich in die Politik eingemischt und damit aus seiner von der Verfassung bestimmten Grenze bewegt hat. Einer möglichen Wiederwahl Musharrafs bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen steht Sharif gelassen gegenüber. Seiner Meinung nach hat der General gar kein Recht zu kandidieren, er sei als Militär nicht legitimiert. Auch wirft er Musharraf Gesetz- und Verfassungsbruch vor. Er glaubt, daß dies das Volk nicht länger hinnehmen werde: "Jetzt stellt sich die Nation gegen ihn, die Parteien stellen sich gegen ihn, die Gerichte stellen sich gegen ihn, alle entwickeln sie politisches Bewußtsein." Auf die Frage, ob Musharraf nicht auch etwas Gutes für Pakistan getan hätte, betonte Sharif zwar, daß er keinen Groll gegen Musharraf hege. Jedoch sei nicht zu erwarten, daß "jemand, der das Gesetz bricht, in der Lage ist, etwas Gutes für sein Land zu tun". Den Konflikt zwischen seiner Partei und der Musharraf-Regierung bezeichnete Sharif als "Krieg zwischen Demokraten und grausamen Leuten". Deshalb weigere er sich auch (im Gegensatz zu Benazir Bhutto), Kontakt zu Musharraf aufzunehmen, obwohl er sonst mit allen Parteien Pakistans im Dialog stehe.

Zu den offiziellen Vorwürfen wie Landesverrat oder Steuerhinterziehung äußerte sich Sharif ausweichend, die Korruptionsvorwürfe bestritt er vehement. Und auf einen Bericht im pakistanischen Fernsehen angesprochen, wonach er in Verbindung zu al-Qaida-Führer Osama bin Laden stehen soll, verdächtigte er den TV-Journalist, dieses Thema im "Auftrag Dritter" zur Sprache gebracht zu haben. Auch seine Verbindung mit dem Angriff auf Pakistans Obersten Gerichtshof während seiner Regierungszeit bestritt er - die damals Schuldigen säßen heute alle an Musharrafs Seite. Auch den mutmaßlichen Vertrag zwischen ihm und der saudi-arabischen Regierung bezeichnete Sharif als nicht-existent und "Propaganda Musharrafs".

Im Falle einer erneuten Machtübernahme durch seine Partei werde die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und die "Disziplinierung des Volkes" Priorität haben. Letzteres wolle er durch verfassungsgemäßes Regieren erreichen. Sein Land werde davon profitieren, "wenn jeder Bürger seine legalen Rechte erhält". Angesprochen auf die in Pakistan agierenden antiwestlichen Radikal-Islamisten meinte Sharif, daß er gegen extremistische Parteien selbstverständlich streng vorgehen werde. Aber gleichzeitig sagte er auch, daß es in Pakistan keine solche Partei gebe. Im Falle eines erneuten Militärputsches wolle er an die Vernunft der Offiziere appellieren und diese auf die Verfassung hinweisen. Zu seiner geplanten Rückkehr erklärte er wenige Tage vor dem Abflug aus London, es sei seine Pflicht, wieder politisch aktiv zu werden, denn "das Land Pakistan ist meine Mutter, ich bin Pakistani, Sie können sich kaum meine Gefühle vorstellen, wie sehr ich von ganzem Herzen zurück nach Pakistan möchte".

Doch daraus wird vorerst nichts. Die EU kritisierte zwar die Abschiebung Sharifs, doch Washington betrachtet es als eine innere Angelegenheit Pakistans. Die US-Regierung werde ihre Gespräche mit mehreren pakistanischen Parteien über freie und gerechte Wahlen fortsetzen, erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses. Man befürchtet offenbar, daß Sharif vom US-freundlichen Kurs Musharrafs abrücken könnte. Daher favorisiert das State Department eine Machtteilung zwischen Musharraf und Benazir Bhutto. Die Einzelheiten wird wohl US-Vizeaußenminister John Negroponte bei seinem geplanten Besuch in Islamabad absprechen.


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