© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

WIRTSCHAFT
Mangelhafter Nachwuchs
Michael Weis

Über 20 Jahre habe ich ausgebildet, jetzt ist Schluß damit," berichtete unlängst die Besitzerin eines Friseursalons in der Pfalz. Es sei niemand zu finden, der zumindest die Minimalanforderungen erfülle, seitdem die letzte Auszubildende wegen "Zweifeln" abgesprungen sei. Weder einfachste Schulkenntnisse, gute Erziehung noch Belastbarkeit und Zuverlässigkeit könne man heute bei Lehrlingen voraussetzen. Dies ist kein Einzelfall. Seit Jahren beschweren sich Wirtschaftsverbände, Industrie und Handwerk darüber, daß trotz "Pisa-Schock" zu wenig gut ausgebildeter Nachwuchs für die Zukunft existiert. Resigniert über diesen Zustand fordern sie darum ausländische Fachkräfte als letzten Ausweg.

Schließlich gibt es im Ausland das benötigte Personal. Dies zeigt beispielsweise ein Blick auf eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Hier erreichte die Bundesrepublik auf der von 0 bis 100 normierten Skala des IW-Humankapitalindikators gerade einmal 49,7 Punkte. Das entspricht Platz 17 von 26 verglichenen Industrieländern. Im Gegensatz zu Spitzenreiter Japan mangelt es hierzulande an höheren Bildungsabschlüssen, an stetiger Aktualisierung des erlernten Wissens im Beruf und nicht zuletzt an der Nutzung des Bildungskapitals. Während beispielsweise in Australien (Platz 2) im Schnitt 1.800 Stunden pro Jahr gearbeitet, also Wissen eingesetzt wird, arbeiten die einstmals fleißigen Deutschen nur 1.435 Stunden - eine Vergeudung von Potential. Will Deutschland international auch weiter wirtschaftlich an der Spitze stehen, muß man Wissen und Fleiß wieder als Grundlagen unseres Wohlstandes erkennen und sowohl theoretische als auch soziale Kompetenzen im eigenen Land aufbauen, anstatt fertiges Wissen zu importieren.


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