© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Jugendschutz
Karl Heinzen

Das von Ursula von der Leyen (CDU) geführte Familienministerium ist mit seinem Ansinnen gescheitert, Minderjährige vor rassendiskriminierenden Parolen des anthroposophischen Ideologen Rudolf Steiner zu schützen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) als die mit derartigen Aufgaben beauftragte Zensurbehörde weigerte sich, über zwei jeweils knapp ein Jahrhundert alte Schriften den Bann der Indizierung zu verhängen, obwohl nicht in Abrede gestellt werden kann, daß sie despektierliche Äußerungen über Schwarzafrikaner enthalten.

Angeblich soll die Zusicherung des Rudolf Steiner Verlages, die beiden inkriminierten "Werke" in Zukunft nur noch in kommentierter Version im Rahmen der Gesamtausgabe des umstrittenen Okkultisten herauszugeben, die Bundesprüfstelle zu ihrer ungewöhnlich milden Entscheidung veranlaßt haben. Nachvollziehbar ist sie dennoch nicht. In Zeiten, in denen rassistische Übergriffe von unbelehrbaren Primitivlingen insbesondere in den östlichen Bundesländern alltäglich geworden sind, wäre es eigentlich geboten, endlich einmal ein Zeichen auch gegen die geistigen Brandstifter zu setzen. Nichts geringeres scheint die Absicht des Familienministeriums gewesen zu sein.

Vorfälle wie in Mügeln haben sich aber offenbar noch nicht bis zu den honorigen Zensoren im fernen Bonn herumgesprochen. Sie übten sich in unzeitgemäßer Toleranz, anstatt deutlich zu machen, daß unser den Werten des Grundgesetzes verpflichteter Staat die freie Meinungsäußerung zwar nur in Ausnahmefällen unter Strafe stellt, sehr wohl aber verhindern möchte, daß durch ihren Mißbrauch junge Menschen auf die schiefe Bahn geraten.

Mit ihrer Entscheidung hat die Bundesprüfstelle nun einen Präzedenzfall geschaffen, der ihr in ihrer zukünftigen Arbeit noch oft zu schaffen machen dürfte. Wir alle wissen, daß in vergangenen Epochen die Würde des Menschen sowie die Rechte von Frauen, Kindern, sexuellen Minderheiten und Fremden oft mit Füßen getreten wurden. Die Werke der allermeisten Philosophen und Literaten der Vergangenheit spiegelten diesen für uns heute unbegreiflichen und verwerflichen Zeitgeist wider, bei dem einen Autor mehr, bei dem anderen weniger. Wir haben ein Recht darauf, dieses fatale kulturelle "Erbe" auszuschlagen und das, was uns in den Werken von Homer bis Heidegger als Zumutung erscheint, endlich dem Vergessen zu überantworten.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hätte hier eine wichtige Aufgabe übernehmen können.


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