© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/07 21. September 2007

Zweifelhafter Verbündeter
Usbekistan: Bundeswehr ist auf Stützpunkt in Termez angewiesen / Präsident Karimov herrscht diktatorisch
Albrecht Rothacher

In einem Internetauftritt hat sich die Islamische Jihad Union (IJU) zu den vereitelten Anschlägen in Deutschland bekannt", teilte das Bundesinnenministerium (BMI) vergangene Woche im Zusammenhang mit der Verhaftung von drei Terrorverdächtigen im hessischen Oberschlehdorn mit. Die geplanten Anschläge hätten sich gegen die US-Basis Ramstein sowie US- und usbekische Konsulareinrichtungen in Deutschland gerichtet. In der IJU-Erklärung werde auch "der durch Deutschland genutzte Luftwaffenstützpunkt Termez/Usbekistan thematisiert. Mit den Anschlägen wollte die IJU die Schließung des Stützpunktes bewirken", so das BMI.

Daß Termiz (so der usbekische Name) ausdrücklich erwähnt wird, überrascht nicht, denn von dieser Stadt an der Grenze zu Afghanistan werden die Bundeswehr und ihre Verbündeten in ganz Nordafghanistan versorgt. Die IJU, die eine Splittergruppe der Islamischen Bewegung von Usbekistan (IMU) sein soll, will aus der von Islom Karimov (JF 18/05) despotisch regierten zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik einen islamischen Gottesstaat machen. Dabei stört der Kampf der Westallierten gegen die afghanischen Taliban ungeheuer. Denn als diese in Afghanistan herrschten, hatten bis Ende 2001 dort nicht nur Al-Qaida, sondern auch usbekische (und tadschikische) Islamisten freie Hand, logistische Unterstützung und ein sicheres Hinterland für ihre Angriffe in den Ex-Sowjetrepubliken. Die bewaffneten Vorstöße nach Usbekistan wurden von einem charismatischen Führer, der sich Juma Namangani nannte, in Bataillonsstärke geführt. In den Ortschaften des verarmten Fergana-Tals ließ er bei seinen kurzzeitigen Besetzungen die Repräsentanten der Regierung erschießen und das Kalifat ausrufen, bevor er sich vor dem Eintreffen der Regierungsmacht wieder ins Ausland absetzte.

Namangani hatte einst als Fallschirmjäger bei der Sowjetarmee in Afghanistan gedient. Dort kam er auch 2001 bei einem US-Angriff ums Leben. Sein damaliges Rückzugsgebiet gehört jetzt zum Reich des usbekischen Drogen-Generals Abdul Rashid Dostum, der als Freund Karimows und der Amerikaner mit den Gefolgsleuten Namanganis "kurzen Prozeß" macht.

In Usbekistan selbst spielt die IMU keine Rolle mehr. Im Untergrund im Fergana-Tal wie in Taschkent gibt es einen harten Wettbewerb zwischen den von den Saudis finanzierten wahabitischen Fundamentalisten, die wie etwa Hizb ut-Tahrir in ganz Zentralasien ein Kalifat errichten wollen, und dem traditionell friedlichen Sufismus der Region, der auch vorislamisch-mystische Elemente enthält. Das Karimov-Regime unterdrückt beide. Dennoch ist die Islamisierung des Alltagslebens der zu Sowjetzeiten noch hart trinkenden Usbeken unübersehbar. Die meisten Russen und Ukrainer sind abgewandert.

In Zentralasien wird zwischen dem entspannten Islam der nomadischen Steppenvölker der Kasachen, Kirgisen und Turkmenen, die als Viehhirten mit ihrem schamaistischen Traditionen die strengen religiösen Vorschriften weder kannten noch einhalten konnten, und dem ernsten Islam der seßhaften Bevölkerung der Oasenstädte Buchara, Chiwa und Samarkand, des Fergana-Tals und Tadschikistans, die unter dem Einfluß von islamischen Rechtsgelehrten (Ulamas) standen, unterschieden. Gegen den militanten Atheismus der Oktoberrevolution und des Taschkenter Sowjets wehrten sich die muslimischen Turkvölker bis 1923 in mutigen Aufständen.

Schon zu Lenins Zeiten wurden das Verschleiern, die Kinderehe, der Brautkauf und die Vielweiberei verboten. Ab 1927 wurden fast alle Moscheen geschlossen, die Stiftungen konfisziert, die Religionsschulen geschlossen. Während des Stalin-Terrors von 1937/38 wurden neben der usbekischen Oberschicht auch die meisten Geistlichen erschossen oder in den Gulag deportiert. Erst 1941 gab es kriegsbedingte Lockerungen mit der Zulassung eines regimekonform-konservativen Islam mit einem Minimum an Lehranstalten und Moscheen. Gleichzeitig lebte ein Schattenislam im Untergrund fort: Auf den Kolchosen, die nach Klanzusammengehörigkeit organisiert waren, gab es illegale Gebetshäuser, in denen von Teilzeit-Mullahs die traditionellen Rituale (Beschneidung, Heirat, Bestattung) und Gebete durchgeführt wurden.

Karimov, seit 1989 KP-Chef der Sowjetrepublik und seit 1991 Präsident des unabhängigen Usbekistan, versuchte seit 1993 seine Herrschaft zu zementieren. Er begann unter Übernahme nationaler und islamischer Symbole die nationalistischen und islamistischen Parteien zu unterdrücken und zu verfolgen. Als Altkommunist weigerte er sich, die Kolchosen aufzulösen und die Industrie zu privatisieren. Ein Staatsmonopol kauft die Ernten zu Niedrigstpreisen auf und verkauft sie für ein Vielfaches auf den Weltmärkten weiter. Mit dem Gewinn finanziert sich der Staatsapparat. Die großen Erdgasvorkommen sind weitgehend unerschlossen, die Erträge des größten Goldbergwerkes wandern auf die Privatkonten Karimows. Die Unzufriedenheit der verarmten 26 Millionen Einwohner ist groß. Am stärksten ist die Opposition im Fergana-Tal. Die von Stalin willkürlich und absichtsvoll konfliktträchtig gezogenen Republikgrenzen teilen das etwa 300 Kilometer lange Tal zwischen Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien auf. Die Bevölkerung leidet deshalb besonders unter Karimovs häufigen Grenzschließungen und Straßensperren. Am 13. Mai 2005 brach dann in Andischan, dem Hauptort des Tals, ein Aufstand aus. Bei seiner Niederschlagung kamen etwa 700 Zivilisten ums Leben. Bei anschließenden Schauprozessen gestanden die offenkundig schwer gefolterten Angeklagten, Teil einer islamistischen Verschwörung zu sein.

Auf den "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan reagierten die postsowjetischen Diktatoren Zentralasiens mit großer Erleichterung, hatten sie doch alle fürchten müssen, bei einem Umsturz ähnlich wie Mohammed Nadschibullah zu enden, der als von Moskau eingesetzter Ex-Präsident Afghanistans 1996 von den Taliban in Kabul an einem Laternenmast aufgehängt wurde. Karimov lud daher die USA im Oktober 2001 ein, in Chanabad einen Stützpunkt zu errichten, US-Militär bildete dafür die usbekische Armee aus. Nach westlicher Kritik am Andischan-Massaker und der Repression war es mit der Bundesgenossenschaft vorbei. Karimov gab dem Druck der Russen und Chinesen bereitwillig nach und warf die Amerikaner hinaus. Die Bundeswehr darf - auch dank entsprechender Zahlungen - vorerst bleiben, denn die Bundesregierung setzte sich stets für die Lockerung der EU-Sanktionen gegenüber dem Taschkenter Regime ein.

Fotos: Bundeswehrstützpunkt in Termez: Basis für den Afghanistan-Einsatz; Karimov: Wendekommunist


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