© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

Ein Regisseur kehrt heim
Neu auf DVD: "Einbruch und Diebstahl"
Michael Insel

Anthony Minghellas Fernweh hat sein Publikum nach Nord­afrika an die Schauplätze des  preisgekrönten Weltkriegsdramas "Der englische Patient" (1996) geführt, nach Italien, wo "Der talentierte Mr. Ripley" als Trickbetrüger sein Unwesen treibt (1999), und schließlich mit dem romantischen Western "Unterwegs nach Cold Mountain" (2003) zurück in das Amerika der Bürgerkriegszeit. Nun ist der Regisseur heimgekehrt: in den Norden Londons, wo seine Laufbahn 1991 mit "Wie verrückt und aus tiefstem Herzen" so vielversprechend begann. Wie bei seinem Debüt stammt auch das Drehbuch für "Einbruch und Diebstahl" aus Minghellas Feder. Leider hat er sich diesmal zuviel vorgenommen und überfrachtet eine komplexe Ensemble-Struktur mit allerlei sozialen Problemen, die sich in kaum zwei Stunden Filmlänge nicht einmal ansatzweise bewältigen lassen.

Handlungsschauplatz ist die schäbige, aber in einem rapiden sozioökonomischen Wandlungsprozeß begriffene Gegend um King's Cross, wo die Gentrifizierung abenteuerlustigen Yuppies die Möglichkeit bietet, Tür an Tür mit Kleinkriminellen, Prostituierten und Einwanderern zu leben. Jude Law spielt Will, einen arroganten Landschaftsarchitekten, der gemeinsam mit seinem sympathischeren, langmütigen Geschäftspartner Sandy (Martin Freeman) im Zuge eines langfristigen Stadtplanungsprojekts den Firmensitz dorthin verlegt. Nachdem ihr neues Büro binnen kürzester Zeit gleich zwei Einbrüche verzeichnet, legt sich Will im Auto auf die Lauer und ertappt prompt einen Jugendlichen beim neuerlichen Tatversuch. Statt die Polizei einzuschalten, stellt er auf eigene Faust Ermittlungen über Miro (Rafi Gavron) und dessen Familie an.

Hier schlägt der Thriller um in ein Gesellschaftsdrama, in dem zwei Welten aufeinanderprallen: auf der einen Seite Wills finanziell abgesichertes, aber kühl-dysfunktionales Zusammenleben mit seiner depressiven schwedisch-amerikanischen Partnerin Liv (Robin Wright Penn) und deren halb-autistischer Tochter Bea (Poppy Rogers). Im krassen Gegensatz dazu Miros liebende Mutter Amira (Juliette Binoche), eine verwitwete bosnische Muslima, die sich im trostlosen Wohnblock mit Näharbeiten durchschlägt, während ihr Sohn mit einer Diebesbande die Straßen unsicher macht.

Statt die Kamera auf brisante Fragen wie Multikulturalismus, Klassengesellschaft oder auch die derzeit vieldiskutierte Krankheit Autismus scharfzustellen, will Minghella auf Biegen oder Brechen eine Symmetrie zwischen beiden Haushalten konstruieren. Ganze Handlungsstränge reißen abrupt ab, und der unbefriedigende Schlußakt löst vielschichtige Probleme in eitel Wohlgefallen auf.

Für willkommene Lacher sorgen Nebenfiguren wie Vera Farmiga (zuletzt zu sehen in Martin Scorseses "Unter Feinden") als osteuropäische Prostituierte mit einem Herz aus Gold und stählernem Willen. Und Ray Winstone als einfühlsamer Kriminalkommissar stiehlt allen die Schau mit seinem trockenen Humor und den Perlen der Weisheit, die er vor die Säue wirft.


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