© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

Wirtschaftsregion mit Risikopotential
Gunter Denk legt mit seinem Mittelstandsführer für Asien eine kenntnisreiche Analyse der Boom-Staaten in Süd- und Südostasien vor
Albrecht Rothacher

Gunter Denk bietet seinen Asienband als Beratungspaket an: von Länderkunde und Kurz-einweisungen in die Wirtschaftskulturen Chinas, Indiens und Südostasiens bis hin zu abzuarbeitenden Prüflisten für den mittelständischen Investor. Das macht sein kenntnisreich, praxisnah und gelegentlich auch amüsant geschriebenes Opus allemal preisgünstiger als ein überteuertes Asienseminar. Die Frage stellt sich natürlich, ob sich die Lektüre auch für den allgemein interessierten Leser lohnt, der nicht die Absicht hat, in Thailand oder China Pumpen für Zierteiche (des Autors vielzitierte mittelständische Erfahrung in der Region) herstellen zu lassen.

Insgesamt kommt China - trotz oder eher wegen der großen Erfahrungen Denks vor Ort - in seinen vergleichenden Übersichten als Produktionsstandort für deutsche Mittelständler eher schlecht weg. Zu hoch sind die Risiken wegen der Größe des Marktes und der kulturellen Unterschiede. Er erkennt zwar in aller Fairneß den hohen Lerneifer der Chinesen, ihre Entscheidungsfreude, die nicht wie in Deutschland von Bedenkenträgern aller Art blockiert wird, und ihren blitzartigen Infrastrukturausbau an.

Dagegen ist die Liste möglicher fataler Probleme lang. Sie reicht von den rapide steigenden Lohnkosten in den Ballungsräumen wie Peking, Schanghai und dem Perlflußdelta, den hohen Kriminalitätsraten unter den entwurzelten Wanderarbeitermassen in Shenzhen, der möglichen Bandenbildung im eigenen Betrieb, korrupten Mitarbeitern, die das Firmeneigentum verschieben, bis zu den Infrastrukturproblemen im westchinesischen Hinterland, wo bei Energieknappheit dem Auslandsinvestor zugunsten der eigenen Staatsbetriebe schlicht der Strom abgedreht wird, und wo auch sonst Transport-, Personal- und Behördenprobleme einen fremden Mittelständler schlicht überfordern.

Dazu muß man sich bei Gemeinschaftsunternehmen auf die Eigenheiten des festlandschinesischen Managements einstellen. Es gibt dort kaum geregelte Entscheidungsprozesse, sondern nur den absoluten Willen des Unternehmensgründers, der als autokratischer Patriarch nach Belieben entscheidet und aus Angst vor Verrat seine Mitarbeiter und Partner meist über seine Absichten im dunkeln läßt. Eigentliche Verhandlungen beginnen erst nach Vertragsabschluß, bei denen nach den Prinzipien listenreicher Kriegführung erst dann ein gutes Ergebnis erzielt ist, wenn die chinesische Seite allein die meisten Vorteile errungen hat. Vertragstreue, die ohnehin kaum einklagbar ist, gilt für sie nur so lange, wie die Vorteile halten. Sonst wird nachverhandelt, oder der Vertrag schlicht mißachtet, so der Wirtschafstrechtler Denk. Wegen des Facharbeitermangels und der schlechten Berufs- und Managementausbildung Chinas muß das eigene Personal erst mühsam innerbetrieblich geschult werden. Es zeigt dann aber wenig Neigung zur Loyalität und wechselt für wenige Yüan mehr zur Konkurrenz, oder macht sich, dem ohnehin unbändigen Trieb zu Nebengeschäften schon während der Arbeitszeit gehorchend, am liebsten gleich selbständig.

Dagegen sieht der Autor in Indien, das auf wenigen Seiten recht kursorisch behandelt wird, besser ausgebildete, strategisch denkende und organisierte Geschäftspartner, und trotz einer korrupten Verwaltung und des ineffizienten Transportwesens geringere Risiken als in China.

Das gilt auch für die von ihm besprochenen fünf größten Länder Südostasiens: Thailand, Indonesien, Malaysia, Vietnam und die Philippinen als Investitionsstandorte. So sprechen für Thailand die angenehmen Geschäfts- und Umgangsformen des Landes, günstige Verkehrswege und stabile Löhne. Umgekehrt fehlen auch in Thailand qualifizierte Facharbeiter. Es gibt Schwächen beim Bezug von Zubehörteilen und Halbfertigwaren. Auch verlangt das starke Nationalbewußtsein die Beschäftigung thailändischer Manager, die prompt den Betrieb als "Patrone" mit eigenen Gefolgschaften füllen und beherrschen.

Während Malaysia als neuer Hochtechnologiestandort glänzt (und entsprechende Ansiedlungen generös fördert), zeichnet sich das benachbarte Indonesien dank seiner Verkehrs- und Ausbildungsschwächen mehr für einfache Industriefertigungen in Hafennähe aus. Dabei empfiehlt sich eher die Beschäftigung von ergebnisorientierten Frauen als die der statusorientierten Männerwelt, die von Effizienz und Pünktlichkeit nicht allzuviel hält.

Auch in Vietnam schrecken zwar  eine umständliche Bürokratie sowie hohe Steuer- und Telekommunikationskosten ab. Doch ist das Geschäftsgebaren der Vietnamesen eher attraktiv: Nach harten, detailversessenen Verhandlungen sind sie vertragstreu und auf fairen Ausgleich bedacht. Die Mitarbeiter nehmen Ausbildungsangebote gerne wahr und sind dann auch betriebstreu - bis hin zur Vorliebe für Firmenuniformen mit Rangabzeichen. In den Philippinen, deren massiver Bevölkerungsüberschuß sonst zur Auswanderung drängt, lockt schließlich die relativ gute Ausbildung der Schul- und Hochschulabsolventen im Dienstleistungs- und IT-Bereich, für Telefonzentren und im Gesundheits- und Pflegebereich. Allerdings warnt Denk nach dem dreistelligen Millionenverlust der Fraport AG beim Bau des Flughafens von Manila vor Geschäften mit der korrupten öffentlichen Hand.

Im Vergleich der Kosten für einheimisches Personal - sowohl von Industriearbeitern wie Führungskräften - sowie für andere Voraussetzungen wie Büroraum und Elektrizität erweisen sich dann Thailand, Vietnam und die Philippinen als um ein Mehrfaches günstiger als die chinesischen Ballungsräume. Ohnehin sollte eine Produktion oder der Einkauf in Asien nur dann erwogen werden, wenn sie angesichts der vielen Risiken und kostentreibenden Unwägbarkeiten der Qualitätskontrolle, der Logistik, des Personals und der Fremdwährungen mindestens dreißig Prozent billiger sind als in der Heimat. Dazu kommt ein mangelhafter Rechtsschutz durch eine entweder politisch gelenkte Justiz wie in China, eine parteiische wie in den Philippinen oder eine, die wie in Indien Jahrzehnte für einen Urteilsspruch benötigt.

Da hilft dann nur ein diszipliniertes Risikomanagement, das stets mehrere Handlungsoptionen für strategische Partnerschaften und Ausstiegsszenarien offenhält, Betriebswissen vor Lieferanten schützt, sowie nicht zuletzt ein tüchtiger eigener Mann vor Ort, der Land und Leute mögen muß, unternehmerische Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit mitbringt und sich als detailorientierter Frontkämpfer ausweist.

Dessen Aufgabe mag durch einen nicht unwesentlichen Faktor unterstützt werden, den Denk seinen Lesern nicht vorenthält: die traditionelle Deutschfreundlichkeit der Indonesier und Vietnamesen dank des Studiums eines Gutteils ihrer technischen Intelligenz in West- bzw. Mitteldeutschland sowie den allgemeinen Respekt vor westlichen Ausländern in den Philippinen, der sich von den Ressentiments der Thailänder und dem wachsenden Hochmut der Festlandschinesen wohltuend unterscheidet.

Die Lektüre dieses umfänglichen Bandes lohnt sich also durchaus, und sei es zur wohlbegründeten Entscheidung, weiterhin in Deutschland und Europa zu produzieren und zu beschaffen. Ausgelassen werden in dem Buch die höchstentwickelten Länder Asiens: Japan, Korea, Taiwan und Singapur, die ihrerseits vermehrt Produktionen nach China ausgelagert haben, auch sie mit oft recht durchwachsenen Ergebnissen.                    

Gunter Denk: Asien für den Mittelstand. Strategien statt Illusionen. Olzog Verlag, München 2007, gebunden, 368 Seiten, 34 Euro

Foto: Ein chinesischer Mitarbeiter beobachtet innovative Materialverarbeitung in einem Kooperationsprojekt mit Degussa: Gutes Ergebnis, wenn die chinesische Seite Vorteile errungen hat


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