© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

Frisch gepresst

Willy Haas. Den Journalisten Willy Haas (1891-1973) ein "schlichtes Gemüt" zu nennen, mag sich in Erinnerung an die von Rudolf Borchardt für den Macher der Literarischen Welt (1925-1933) gebrauchten Verachtungsvokabeln wie ein Lob ausnehmen. Und doch sind damit die intellektuellen Defizite eines Mannes hinreichend beschrieben, der ab 1948 als Redakteur in Springers Welt einstieg, um sich dort "am Wiederaufbau eines geistigen Fundaments" im geteilten Nachkriegsdeutschland zu beteiligen. Den Anteil des aus der deutsch-jüdischen Kultur von "Kafkas Prag" stammenden Remigranten daran nachzuweisen, bemüht sich Christina Prüver in ihrer Berliner Dissertation über "Willy Haas und das Feuilleton der Tageszeitung Die Welt" (Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, broschiert, 269 Seiten, 38 Euro). Ungeachtet ihres hagiographischen Ansatzes, bestätigt ihre aus fleißiger Archivauswertung entstandene und mit knapp 1.500 Anmerkungen verwirrend pointillistische Arbeit, daß es, soweit es auf Haas dabei ankam, mit dem westdeutschen geistigen Fundament nicht weit her war. Das lag nicht allein an blickverengenden politischen Ressentiments, die Haas' Artikelproduktion fad-monomanisch wirken lassen, sondern auch an verstaubten ästhetischen Vorlieben eines Mannes, der den im Exil verstorbenen Poeten Franz Werfel allen Ernstes für den größten deutschen Dichter hielt. Daß Prüver dies nun, wenn auch unfreiwillig, auf breiter Quellenbasis dokumentiert, ist ein Verdienst, gegen das man viele ihrer Ahnungslosigkeiten, etwa ihre bizarre Fehleinschätzung der Rolle Wilhelm Lehmanns im Dritten Reich, nicht aufrechnen sollte.

 

Staatsallmacht. Die Mehrheit der Deutschen lebe heute ganz oder zum Teil von öffentlichen Transferleistungen. Dem Staat, dessen Politik sich parteiübergreifend an Maßstäben "der sozialen Gerechtigkeit" ausrichtet, käme damit zunehmend eine gewichtigere Rolle als Gebieter über all diese Abhängigen zu, wie der Wirtschaftspublizist Michael Brückner beklagt: In einer Tour d'horizon von der Gesundheitsreform über eine Bürokratie-Beamtenschaft mit gewaltigen anstehenden Pensionslasten bis zum Monstrum Gleichbehandlungsgesetz beschreibt er Fehlentwicklungen, die alle auf die zunehmende Gängelung des "Junkies" Bürger hinauslaufen (Die Droge Staat. Über die sanfte Art, Bürger zu entmündigen. Books on Demand, Norderstedt 2007, broschiert, 101 Seiten, 8,90 Euro).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen