© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

In Nikitas Badehose am Schwarzen Meer
Mißachtung von Erwachsenenträumen: Hans Magnus Enzensberger beschönigt seine wilde politische Vergangenheit
Andreas Wild

Hans Magnus Enzensberger, eine Ikone der intellektuellen Linken hierzulande, hat in dem konservativen Pariser Wochenmagazin Le Nouvel Observateur seine politische Vergangenheit ziemlich massiv beschönigt. Er sei, sagt er in bezug auf die 68er-Bewegung (zu deren Inspiratoren er in Wirklichkeit gehörte), lediglich "teilnehmender Beobachter" gewesen. Das wird ihm nun von ehemaligen Kumpanen, die sich besser erinnern, höhnisch um die Ohren geschlagen. Ein richtiger kleiner Medien­eklat ist da.

Die Liste der Enzensbergerschen Erinnerungslücken ließe sich übrigens spielend erweitern. HME inspirierte und unterstützte nicht nur die 68er bis weit in die Terrorphase hinein, sondern er war schon vorher, Mitte der fünfziger Jahre, aus dem angeblich "naziverseuchten" Deutschland "emigriert", zuerst nach Norwegen und dann in das kommunistische Kuba. Er besuchte unter großem Medienpomp den sowjetischen Staatschef Chruschtschow, schwamm mit ihm in dessen Swimmingpool in Jalta und ließ sich zu diesem Behuf von Nikita extra eine Badehose leihen.

Und das Wichtigste: Enzensberger, Jahrgang 1929, war damals kein feuriger Jüngling mit revolutionären Flausen mehr, sondern sozusagen bereits in den besten Jahren, ein gereifter Politstreiter, der die Welt an sich kennen mußte und auch den Wert von Phrasen und ideologischen Leitsätzen. Viel hat sich davon im Kursbuch, das er 1965 unter dem Dach von Suhrkamp gründete und zum Leiborgan der 68er machte, nicht niedergeschlagen.

Wie heißt es so schön im "Don Karlos" von Schiller? Man soll "Achtung haben vor den Träumen seiner Jugend". Zu ergänzen wäre: Man soll auch Achtung haben vor den Worten und Taten seiner reifen Jahre, ob diese sich nun später als Heldentaten herausstellen oder als Irrtümer. Gerade für feine Dichter und kluge Essayisten gilt diese Mahnung. Deren Privileg ist es ja, die Sachen selbst sprechen zu lassen, was wahrhaftig nicht jeder kann. Für den, der es kann, ist es nie zu spät.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen