© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

Leserbriefe

Zu: "Revolte gegen das Normale" von Michael Paulwitz, JF 39/07

Fragen wir uns noch?

Was ist "normal" bezüglich des Kinderbekommens und -aufziehens? Normal ist, was jede Mutter weiß: Es ist ein Vierundzwanzig-Stunden-Job, mit einem Säugling zu leben. Und das sieben Tage die Woche. Schlafmangel, der "normal" ist bei der Aufzucht eines Säuglings, ist physiologisch gesehen Schwerarbeit. Zudem ist es heute "normal", daß eine junge Frau zwar Latein und Mathematik gelernt hat, aber nicht, was zu tun ist, wenn ein Baby nicht aufhört zu schreien. Normal ist der "Ein-Kind-Schock".

Und die Mütter schweigen - keine benennt die Belastungen. Ja, da ist auch noch die Liebe zum Kind. Da ist die befriedigende Tätigkeit, die absolut sinnhaft ist. Aber da ist auch das Alleingelassensein, die Abwertung, die absolut fehlende Anerkennung. Kein Wunder, daß eine junge Frau nach einer solchen Erfahrung sagt: Lieber berufstätig, da bin ich anerkannt, da bin ich nicht alleingelassen, das hier habe ich gelernt, und niemand wagt zu sagen, ich würde nichts leisten.

Paulwitz schreibt zu recht, daß Feigheit und Opportunismus die Ursache dieses konformen Verhaltens sind. Unsere Mütter schweigen, weil sie als Frauen kein Selbstbewußtsein haben! Eine selbstbewußte Frau würde sich nicht doppelt belasten, um genausoviel wert zu sein wie ein Mann. Aber ebendies ist "normal" in unserer Kultur.

Einer muslimischen Frau dagegen, die berufstätig ist, gehört das verdiente Geld persönlich: Sie hat es nicht für die Familie auszugeben. Denn ihre Arbeit als Hausfrau und Mutter ist bereits gleichwertig. Es ist alleinige Pflicht des Mannes, die Familie zu versorgen. Fragen wir uns noch, wie sich die Bevölkerung entwickeln wird? 

Sabine Kraiß, Würzburg

 

Getrennter Unterricht

Erst jüngst hat der Jugendforscher Klaus Hurrelmann in der FAZ darauf hingewiesen, daß frauendominierte Schulen für Jungen aus entwicklungspsychologischen Gründen nachteilig sein könnten. Natürlich unterrichten Lehrerinnen nicht schlechter als ihre männlichen Kollegen, aber sie tun es eben anders. Das wirkt sich nicht nur auf die Unterrichtsgestaltung, sondern auf die gesamte Erziehungspraxis aus. So fehlt einfach die männliche Komponente bereits im Kindergarten.

Wenn es zutrifft, daß Mädchen besonders in den Naturwissenschaften ohne Jungen in der Lerngruppe besser sind, wäre zu fragen, ob es umgekehrt nicht auch Fächer - zum Beispiel Sprachen - gibt, in denen Jungen ohne die weibliche Konkurrenz eher Lernerfolge erzielen.

Es trifft zu, daß in der alten Bundesrepublik die Koedukation - auf dem Lande gab es sie aus organisatorischen Gründen in der Regel schon immer - erst in den sechziger Jahren und auch nur zögerlich Einzug gehalten hat. Aber in der DDR wurde sie auch nicht sofort und überall eingeführt.

Ernst Hildebert Kratzsch, Rosengarten

 

 

Zu: "Das Chorheulen der Ahnungslosen" von Klaus Motschmann, JF 39/07

Wie artig und abgewogen

Da gebraucht Kardinal Meisner ohne Argwohn in Bezug auf Kunst und Kultur sinnfällig das Wort "entartet", und schon trifft er auf eine hysterisch aufgeheizte Medienfront der Empörung. Mehr als zwei Generationen nach der sprachlichen und realen Verfemung großer Künstler wie Ernst Barlach, Emil Nolde und vieler mehr durch den Begriff "entartete Kunst" sollte es nun endlich möglich sein, das Wort "entartet" semantisch korrekt zu benutzen; es gehört zur deutschen Sprache und bedeutet "sich negativ, außerhalb der Norm entwickeln".

Der über alle Zweifel erhabene große Künstler Friedensreich Hundertwasser (1928-2000) hat anläßlich der Verleihung des Österreichischen Großen Staatspreises für bildende Kunst im Jahre 1981, als sogenannte "Aktionskünstler" ihr Unwesen mit fragwürdigem Beifall produzierten, gesagt, daß "Kunst häßlich leer, ohne Schönheit, ohne Gott, dumm und kalt und herzlos" geworden sei.

So urteilte Hundertwasser, nachdem er zuvor bekannt hatte: "Die zeitgenössische Kunst ist entartet. Man soll sich nicht scheuen, dieses mißbrauchte und falsch verwendete Wort zu gebrauchen. Was macht der avantgardistische Trottel mit der Kunst? Er hilft den Zerstörern unserer Existenz nach Kräften. Er ist Helfershelfer einer blinden Mafia aus Museumsdirektoren, Journalisten, Kritikern und negativen Philosophen. Die moderne Kunst ist ein Honorarpanoptikum geworden. Kunst ist jedoch etwas Religiöses." Wie artig und abgewogen war da der Gebrauch des Wortes "entartet" durch Kardinal Meisner!

Karl Betz, Reiskirchen

 

Niemand nahm Anstoß

Jetzt stößt man sich an der bloßen Vokabel "entartet". Ich dagegen bin erschrocken, als es in Mode kam, "Mahnwachen" zu veranstalten, die ich immer mit der SA, jüdischen Geschäften und der NS-Zeit assoziierte. Dann wurden Mahnwachen durch die 68er modisch, und niemand nahm Anstoß.

Hermann Kerkenbusch, Beuron

 

Pawlowscher Reflex

Bei den vielen in bezug auf die Meisner-Rede geäußerten Absurditäten ist jedoch eine besonders skandalös: die in ihrer Überheblichkeit geradezu totalitäre, die einfachen Kirchenmitglieder entmündigende Erklärung des kulturpolitischen Sprechers des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, daß nämlich "die Autonomie der Kunst in unserer Kirche ... völlig unbestritten" sei. Diese Erklärung ist mit der darin zum Ausdruck kommenden völligen Beliebigkeit in der sakralen Kunst unchristlich. Danach könnten dort also genausogut die in der modernen Kunst sehr verbreiteten lasziven Sexdarstellungen erscheinen.

Das Geschrei der Meute zeigt, daß sie nur darauf wartete, daß der wegen seiner klaren christlichen Moral verhaßte Kardinal ein Signalwort benutzt - egal, in welchem Zusammenhang -, um dann in einem Pawlowschen Reflex über ihn herzufallen.

Wolfram Ellinghaus, Harsewinkel

 

 

Zu: "Dem Staat schädlich" von Günter Bertram, JF 39/07

Eine Schande für die EU

Der deutsche Verteidigungsminister hat öffentlich bekräftigt, daß er für sich einen "übergesetzlichen Notstand" in Anspruch nimmt und bereit ist, auch gegen die Rechts- und Verfassungsordnung den Befehl zum Abschuß eines entführten Verkehrsflugzeuges zu geben. Wer angesichts dieser Erklärung in Wien eine Maschine der Lufthansa besteigt, um nach Deutschland zu fliegen, spielt also mit seinem Leben.

Daß in einem europäischen Land, das bisher allgemein für einen Rechtsstaat gehalten wurde, ein Minister eine solche Erklärung abgeben kann, ohne zum Rücktritt gezwungen zu werden, ist eine Schande für die gesamte EU. Als seinerzeit die Lufthansa-Maschine "Landshut" entführt wurde, hatte die damalige deutsche Bundesregierung alles unternommen, um die Passagiere zu retten. Hätten unter der Regierung Merkel alle sterben müssen?          

Dr. Erich Schäfer, Wien

 

 

Zum Leserbrief: "Als Gutachter benennen" von Robert Hepp, JF 39/07

Eine Ermutigung für Ärzte

Im Leserbrief von Professor Robert Hepp wird erwähnt, daß die Nazis die aktive Abtreibung mit dem Tode bestraften:   ein beliebtes Argument der Befürworter der heutigen Abtreibungsfreigabe. Damit werden Abtreibungsgegner in die rechte Ecke, wenn nicht noch weiter, gedrängt. Daß für ein Regime, dem zur Erreichung seiner Ziele das einzelne Menschenleben nichts galt, für den Schutz der Ungeborenen nur rein bevölkerungspolitische Motive maßgebend waren, bedarf keiner näheren Erläuterung.

Dagegen gab es in der schauerlichen Wirklichkeit des NS-Staates eine "politische" Indikation, wie sie Hans Reis in seinem Buch "Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes als Verfassungsproblem"  bezeichnet. Eine Verordnung vom 9. März 1943 bestimmte nämlich, daß "Personen, die nicht deutsche Staatsangehörige deutscher Volkszugehörigkeit" sind, von der Anwendung der Vorschriften über die Bestrafung der Abtreibung ausgenommen werden können.

Laut Hans Reis war es nichts anderes als eine auf die Ausrottung schon der ungeborenen Kinder gerichtete Verfolgungsmaßnahme, wie wir sie heute unter anderen Vorzeichen wiedererleben. Er weist auf die auffallende Konvergenz hin zwischen dem "repressiven Biologismus der nationalsozialistischen Machthaber und dem permissiven Hedonismus liberalsozialistischer Menschheitsbeglücker".

In diesem Zusammenhang vergißt Reis nicht, auf die Tatsache hinzuweisen, daß es auch damals Ärzte gab, die mit aller Beherztheit und sittlichen Stärke, die die damalige Zeit erforderlich machte, sich dem Auftrag zum Vollzug dieser Maßnahme wiedersetzten. Reis sieht darin eine Ermutigung und Bestätigung für alle jene Ärzte, Krankenschwestern und Sozialberater, die wegen ihres unerschrockenen Eintretens für den Schutz des Lebens ungeborener Kinder auch heute wieder mit genau der gleichen Vokabel diffamiert und abqualifiziert werden.

Marion Gotthardt, Freiburg

 

 

Zu: "Symbol der nationalen Wiedergeburt" von Wiebke Dethlefs, JF 39/07

Auch im besetzten Deutschland

Das symphonische Gedicht "Finlandia" als "Symbol der nationalen Wiedergeburt" der Finnen war zeitweise nicht nur im zaristischen Rußland verboten, sondern auch im nach 1945 besetzten Nachkriegs-Deutschland. Daß Jean Sibelius Nationaldichter der Finnen und kein "Arier" ist, scheint damals nicht zum Bildungsgut in den Vereinigten Staaten gehört zu haben. Sonst wäre sein Werk - zusammen mit dem von Richard  Strauß und Hans Pfitzner - hier nicht eine Zeitlang verboten gewesen.

Das Ziel der amerikanischen Kulturpolitik der Denazifizierung und Reedukation lautet nämlich "to degrade the concept of Aryan cultural supremacy", wie sie offenbar in Sibelius' "Finlandia" zum Ausdruck kam.

Prof. Dr. Rainer Voigt, Berlin

 

 

Zum Schwerpunktthema: "Im Bann des Terrors", JF 38/07

Weg in die Meinungsdiktatur

Ihre Artikel über die RAF und den "deutschen Herbst" verweisen mit Recht auf die Sympathien von links zugunsten des revolutionären Terrors. Die RAF wird in der marxistischen Zeitschrift Konkret noch heute gutgeheißen, kritisiert wird lediglich, daß sie den "bewaffneten Kampf" eingestellt hat. Diese beinharte Gewaltverherrlichung, wie sie auch in "autonomen" Blättern gang und gäbe ist, öffnet keineswegs das sonst so wachsame Auge unserer öffentlich-einseitigen Rundfunk- und Fernsehanstalten, noch interessiert sich die politische Prominenz dafür.

Wenn die Herrschenden auf dem linken Auge blind sind, ist es schlimm genug. Wenn dies sogar unter CDU-Flagge geschieht, ist es skandalös dazu. Wer bleibt dann noch übrig, um den Linksextremismus zu bekämpfen? Einige konservative Publikationen und bedeutungslose Splitterparteien?

Damit die Demokratie wehrhaft und der Rechtsstaat gerecht bleibt, müssen sich die Regierenden von Linksextremen wie von Rechtsextremen gleichermaßen abgrenzen. Früher war der "antitotalitäre Konsens" selbstverständlich, die Gemeinsamkeit der Demokraten gegenüber dem roten und braunen Extremismus keine Frage. Der heutige "Kampf gegen rechts" treibt hingegen immer verrücktere Sumpfblüten. Wenn die Herrschenden nur noch eine Meinung zulassen, nämlich die herrschende, ist der Weg in die Meinungsdiktatur vorgezeichnet.

Felizitas Küble, Münster

 

 

Zum Fall Eva Herman, JF 38/07, JF 39/07 und JF 40/07

Weg vom Fenster

Darf ich schreiben: Auch im Dritten Reich gab es schöne, sonnige Tage? Oder bin ich dann für den Rest meines Lebens weg vom Fenster?

Günter Mangold, Gargnano, Italien

 

 

Zu: "Die Stunde der Opportunisten" von Dieter Stein, JF 38/07

Gehören auch zur Schöpfung

Sie haben Recht: Massenmord an ungeborenen Kindern ist absolut nicht hinnehmbar, aber ebenso verwerflich ist die tägliche Ermordung millionenfach gequälter, unschuldiger und grauenvoll hingerichteter Tiere. Die Ärmsten der Armen sind fühlende Wesen und gehören ebenfalls zur Schöpfung.

Marie-Thérèse Matrong, Bochum

 

 

Zu: "Kandaren für Rosse der Apokalypse" von Dag Krienen, JF 37/07

Es gab keine "Grauzone"

Autor Dag Krienen behauptete, daß es im Luftkriegsrecht eine "Grauzone" gab, was der Luftkriegsexperte Maximilian Czesany in seinem Buch "Europa im Bombenkrieg 1939-1945" jedoch überzeugend widerlegt. Die Haager Konventionen von 1899 und 1907 umfaßten das Land- und Seekriegsrecht, das den Beschuß von Nichtkombattanten verbot. Das Flugzeug war nur ein neuartiger Träger von Geschossen, und man kam zu der gewohnheitsrechtlichen Überzeugung, daß es für den Luftkrieg keiner besonderen formalen Regelung mehr bedurfte.

Großbritannien tanzte aus der Reihe, als es auf der Abrüstungskonferenz vom 22. Februar 1932 den Bombenabwurf für "polizeiliche Erfordernisse in gewissen entfernten Gebieten" erlaubte. Tatsächlich bombardierte die Royal Air Force gleich nach dem Ersten Weltkrieg die Zivilbevölkerung in aufständischen Kolonien, besonders Indien und Mittleren Osten.

Stanley Baldwin, damals Lord President of the Council, forderte am 10. November 1932 im Unterhaus:  "Die einzige Verteidigung ist der Angriff, daher also: Man muß mehr Frauen und Kinder töten als der Feind, wenn man sich selber schützen will." Die Briten stützten sich dabei auf das Buch des italienischen Generals Douhet, der als der "Schlieffen der Luft" den totalen Krieg ohne Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung gefordert hatte.

Am 2. September 1939 bestätigten die Regierungen Polens, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands nach einem Appell Roosevelts, daß sie nur militärische Objekte bombardieren würden. Chamberlain hielt sich an dieses Versprechen, das aber Churchill nach seinem Regierungsantritt brach.

Friedrich Karl Pohl, Lüneburg

 

 

Zu: "Niedersachsen übt sich in Zensur" von Hans-Joachim von Leesen, JF 37/07

Moderne Bücherverbrennung

Wir brandmarken zu Recht das Vorgehen der Nationalsozialisten am 10. Mai 1933, als in Berlin auf dem ehemaligen Opernplatz und anderswo die Bücher der dem nationalsozialistischen Regime mißliebigen Schriftsteller öffentlich verbrannt wurden. Auch die Beschlagnahme von Druck­erzeugnissen von außerhalb der DDR bei Reisenden oder das Entfernen dieser aus Paketen an der innerdeutschen Grenze  wurde als Zeichen undemokratischer Verhältnisse in der DDR gewertet.

Wie aber ist das Vorgehen der niedersächsischen Landesregierung zu werten, wenn diese nicht-indizierte Druckerzeugnisse, die auch nicht auf der Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften stehen, aus dem Angebot der Verlage am Rande des Deutschlandtreffens der Landsmannschaft der Schlesier entfernen ließ? Wie ist es zu bewerten, wenn eine Landesregierung hier offensichtlich widerrechtlich in Grundrechte eingreift, die nach dem Grundgesetz besonders geschützt sein sollen?

Sieht man dieses im Zusammenhang mit den in den letzten Jahren in allen Bereichen bereits festgeschriebenen und den noch geplanten Einschränkungen  der Grundrechte des Bürgers in Deutschland, dann kann einem schon die Frage durch den Kopf gehen: "Sind wir auf dem Weg in eine dritte deutsche Diktatur - in die Demokratur?"

Auch 1933 und ab 1949 im Osten unseres Vaterlandes wurden die Rechte und Freiheit der Bürger durch Partei und Regierung zum Schutze des Volkes immer weiter eingeschränkt. Wohin das geführt hat, ist uns hinlänglich bekannt. Auch heute werden unsere Rechte und unsere Freiheit wieder in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise immer weiter eingeschränkt. Wo ist der Unterschied zu dem Umgang mit dem Volk durch die  heutigen Regierungen gegenüber den früheren Vertretern des Staates - außer daß man heute nicht mehr die Rechte und die Freiheit des Volkes einschränkt, sondern nur noch die Rechte und die Freiheit einer Gesellschaft?

Hans-Jürgen Malirs, Hönow


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